Frischer Wind im Ukraine-Krieg, an den Tischen Berlins tut sich was. "Die Friedensverhandlungen sind so intensiv wie noch nie seit Beginn des Konflikts", lässt Oberst Markus Reisner im neuen "NTV"-Interview aufhorchen.
In seiner Analyse der Gespräche sieht er aktuell drei Themenblöcke: Sicherheitsgarantien, Wiederaufbau und territoriale Fragen. Knackpunkt ist dabei oft der Donbass.
Vielleicht hilft da ja eine unkonventionelle Idee? "Interessant ist die Idee der USA, eine entmilitarisierte Wirtschaftszone im Donbass einzurichten, die die Ukraine möglicherweise kontrollieren soll, aber den Russen zugesprochen werden könnte." Reisners Verdacht: Russland durch diese "verdeckten Übergabe" gemeinsam mit den Amerikanern die dort liegenden Bodenschätze ausbeuten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum könnte sich zu einem Einfrieren der Frontlinie hinreißen lassen. "Das ist mehr als in den vergangenen Monaten jemals vorstellbar war." Russland fährt unterdessen unbeirrt Luftangriffe mit hunderten Marschflugkörpern, Drohnen und Raketen, nimmt dabei im Winter besonders die Gas- und Stromversorgung ins Visier.
Doch es gibt auch positive Signale. So gelingen der Ukraine trotzdem noch kleinere Erfolge am Boden. Und obwohl das Momentum aktuell bei den Russen liegt, ist ihnen kein operativer Durchbruch gelungen. "Nach wie vor ist die Ukraine in der Lage, auf dem Schlachtfeld etwas zu erreichen", bilanziert Reisner.
Trotz der Unterstützung durch Europa gibt es bei den Ressourcen ein arges Ungleichgewicht, das unter anderem bei Artilleriegranaten sichtbar wird. "Die Europäer haben den Ukrainern dieses Jahr 1,8 Millionen Granaten geliefert. Die Russen haben selbst 3,5 Millionen produziert und noch einmal drei Millionen von Verbündeten erhalten." Russland will um jeden Preis gewinnen und denkt, kurz vor diesem Ziel zu sein.
Umso wichtiger wären jetzt ernsthafte Verhandlungen. Reisner konkretisiert aber: "Die Ernsthaftigkeit kommt nicht von russischer Seite, sondern von den Amerikanern. Sie sind bereit, die Ukraine in einen Frieden zu zwingen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu früher." Die Wirtschaftsleute um US-Präsident Donald Trump versprechen sich daraus gute Geschäfte und Profite in Russland.
Reisner sieht deshalb drei Szenarien. "Das "koreanische Szenario" wäre ein Waffenstillstand ohne Friedensverhandlungen, das "deutsche Szenario", wäre eine Teilung mit einer Rest-Ukraine in der Nato. Das "finnische Szenario" wäre ein Diktatfrieden, in dem der Staat überlebt, aber Gebiete abtritt."
"Wer sich die russische Geschichte anschaut, wird erkennen: Russland war immer nur verhandlungsbereit, wenn es das Messer an der Kehle hatte." Und das sei aktuell nunmal nicht der Fall. "Die Europäer sind nicht in der Lage, die Amerikaner nicht bereit dazu. So droht der Ukraine ein Diktatfrieden. Dann hätte Russland auf ganzer Linie gewonnen."