Trotz Konjunkturflaute, steigender Insolvenzen und magerer Lohnabschlüsse in vielen Branchen gönnt die Wirtschaftskammer ihren Beschäftigten eine Gehaltserhöhung von über vier Prozent. Das sorgt bei Unternehmern für reichlich Ärger und Kopfschütteln.
Während die Inflationsrate laut Wifo heuer 3,5 Prozent beträgt und das Wirtschaftswachstum mit 0,3 Prozent kaum Fahrt aufnimmt, dürfen sich die Mitarbeiter der Wirtschaftskammer über ein kräftiges Plus freuen. Ein Sprecher der WKO bestätigte gegenüber der "Presse": Die Gehälter steigen um 4,2 Prozent.
In vielen anderen Branchen sieht es hingegen ganz anders aus. Die Metaller einigten sich auf nur 1,41 Prozent mehr, im Metallgewerbe und in der Elektroindustrie beträgt das Plus 1,8 Prozent, bei den Eisenbahnern 2,7 Prozent – allesamt unter der Inflationsrate. Dass ausgerechnet die Wirtschaftskammer, die Interessenvertretung der Unternehmer, überdurchschnittlich erhöht, stößt daher besonders sauer auf.
Die Kammer rechtfertigt die Erhöhung mit einem internen System: "Die jährliche Gehaltserhöhung für Mitarbeiter der WKÖ orientiert sich stark an den Ergebnissen der KV-Abschlüsse des vorangegangenen Jahres, um die Realitäten der Mitgliedsunternehmen bestmöglich abzubilden. Da letztes Jahr die KV-Abschlüsse meist im Bereich 5,4 bis 9,2 Prozent lagen, beträgt die sogenannte Faktorerhöhung für WKÖ-Mitarbeiter 4,2 Prozent", erklärte ein Sprecher.
Zugleich betont man: "Die aktuell niedrigen KV-Erhöhungen werden sich somit in der Faktorerhöhung für 2027 niederschlagen." Anders als in anderen Bereichen werden die Kollektivverträge bei der WKO nämlich nicht verhandelt, sondern automatisch über eine Formel angepasst. Laut Kammer fallen die jährlichen Gehaltserhöhungen im langfristigen Vergleich sogar "deutlich niedriger aus als in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst".
Die Optik bleibt jedoch ungünstig: Erst kürzlich meldete der KSV1870 einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 5,5 Prozent in den ersten drei Quartalen. Gleichzeitig wurde den Beamten ihre ursprünglich vereinbarte KV-Erhöhung von 3,3 Prozent gestrichen – am Ende blieb nur 1,5 Prozent übrig, um dem Finanzminister rund 300 Millionen Euro zu sparen.
Umso unverständlicher erscheint vielen Beobachtern das Timing: Genau jetzt starten die Kollektivvertragsverhandlungen im Handel, wo es um die Löhne von 450.000 Angestellten und 120.000 Arbeitern geht.
Wirtschaftskammer-Handelsobmann Rainer Trefelik hatte erst Mitte Oktober betont, man solle sich bei den Abschlüssen an den Metallern und Beamten orientieren. Rainer Will, Chef des freiwilligen und überparteilichen Handelsverbands, warnte: "Jede Lohnerhöhung wirkt sich natürlich auf die Preise im Regal aus. Die Arbeitsplatzsicherung im Handel muss im Vordergrund stehen. Bereits jetzt liegen die durchschnittlichen Personalkosten pro Kopf im österreichischen Lebensmittelhandel um 31 Prozent höher als in Deutschland und sogar um 59 Prozent über dem EU-Schnitt."
Mit dem Beispiel der Wirtschaftskammer dürften die Gewerkschaften nun allerdings ein Argument mehr haben, um Lohnforderungen über der Inflationsrate zu stellen.