Der Untergang des Römischen Reiches wurde lange Zeit vor allem inneren Machtkämpfen, wirtschaftlicher Instabilität und äußeren Angriffen zugeschrieben. Doch aktuelle Studien bringen nun einen weiteren Faktor ins Spiel: eine plötzliche Kälteperiode, die das Imperium zusätzlich massiv unter Druck setzte.
Laut Forscher Tom Gernon von der Universität Southampton könnte diese abrupte Eiszeit die fragile Ordnung in Europa endgültig aus dem Gleichgewicht gebracht haben. "Wenn es um den Untergang des Römischen Reiches geht, könnte dieser Klimawandel der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte", erklärte Gernon.
Kälte und daraus resultierende Missernten hätten massive Fluchtbewegungen im römischen Imperium ausgelöst, die wiederum politische Spannungen verschärften.
Ungewöhnliche Funde an einem Strand in Island brachten die Wissenschaftler auf die Spur. Dort stießen Geologen nämlich auf Gesteinsbrocken, die ganz offensichtlich nicht aus Island stammen konnten. Die Analyse zeigte, dass sie von Eisbergen aus Grönland stammen - und zwar aus einer Zeit, die auffällig gut mit dem Niedergang des Römischen Reiches zusammenpasst.
Diese Gesteine wurden vermutlich zwischen 540 und 700 nach Christus angeschwemmt, also genau in dem Zeitraum, in dem Europa von der sogenannten "Kleinen Eiszeit der Spätantike" getroffen wurde. In dieser Phase sanken die Temperaturen abrupt. Gletscher wuchsen, Eisberge kalbten vermehrt - und es wurde deutlich kälter.
Die Ursachen dieser "Kleinen Eiszeit" sind noch nicht ganz geklärt. Einige Wissenschaftler vermuten gewaltige Vulkanausbrüche, die Aschewolken in die Atmosphäre schleuderten und so das Sonnenlicht blockierten. Andere Forscher sehen Veränderungen in der Erdumlaufbahn als Auslöser. Doch das Ergebnis sei überall auf der Nordhalbkugel spürbar gewesen - von Europa bis nach China.
Diese klimatischen Veränderungen führten zu Ernteausfällen und Hungersnöten, die wiederum soziale Unruhen und Migrationsbewegungen auslösten. In Kombination mit anderen Faktoren wie politischen Krisen und äußeren Angriffen könnte die Kälteperiode somit maßgeblich zum Niedergang des Römischen Reiches beigetragen haben.