Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien wurde am Donnerstag vom russischen Justizministerium offiziell auf die Liste der "unerwünschten Organisationen" gesetzt. Bereits im Mai hatte die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft diesen Schritt angekündigt. Damit gilt jede Form der Zusammenarbeit mit dem IWM in Russland nun als strafbar, je nach Auslegung sogar als kriminelle Handlung.
Das IWM ist damit nach der Central European University (CEU), die 2023 auf die Liste gesetzt wurde, die zweite betroffene Institution aus Österreich. In einer Mitteilung vom 21. Mai warf die Generalstaatsanwaltschaft dem Institut vor, unter dem Einfluss westlicher Geheimdienste an der "Verzerrung von Fakten" zu arbeiten, um Russland international als Aggressor darzustellen. Zudem sollen IWM-Akteure in Publikationen zur Waffenlieferung an "Kiewer Neonazis" aufgerufen und Angriffe auf Zivilisten unterstützt haben. Auch die Open Society Foundations, der Atlantic Council und die CEU werden als enge Partner des Instituts genannt.
Das IWM, das 1982 gegründet wurde und den wissenschaftlichen Austausch über politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen, insbesondere in Osteuropa, fördert, wies die Vorwürfe zurück. Eine Sprecherin betonte gegenüber der APA, man stehe weiterhin zu den Grundwerten von Demokratie, Dialog und Forschung und nehme die Entscheidung der russischen Behörden zur Kenntnis. Vorrang habe nun der Schutz aller Personen und Organisationen, die mit dem Institut verbunden sind.
Mit der Aufnahme auf die Liste zählt das IWM zur mittlerweile 232. internationalen Organisation, die seit Einführung der entsprechenden Gesetzgebung 2015 in Russland als "unerwünscht" eingestuft wurde. Meist trifft es westliche Denkfabriken und russische Exilmedien. Die russischen Strafverfolgungsbehörden dehnen den Begriff "Zusammenarbeit" zunehmend aus, bereits das Teilen eines IWM-Artikels in sozialen Netzwerken kann mit Geldstrafen oder im Wiederholungsfall mit bis zu vier Jahren Haft geahndet werden. Bei finanzieller oder organisatorischer Unterstützung drohen noch härtere Strafen.
Besonders betroffen sind Personen, die mit dem IWM verbunden sind und familiäre Bindungen nach Russland haben, für sie kann ein Aufenthalt dort nun mit erheblichem Risiko verbunden sein. Darüber hinaus droht ein kultureller und akademischer Einschnitt: Werke, die in Kooperation mit dem IWM entstanden sind, dürfen in russischen Bibliotheken und Buchhandlungen nicht mehr geführt oder verkauft werden. Auch das könnte als "Zusammenarbeit mit einer unerwünschten Organisation" gewertet und verfolgt werden.