"Menschensafari"

Sarajevo 1993: Sniper-Touristen schossen auf Zivilisten

Anfang der 90er-Jahre reisten mutmaßlich fünf Männer aus Italien nach Sarajevo – offenbar, um als Hobby-Scharfschützen Menschen zu töten.
Nick Wolfinger
13.11.2025, 12:54
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Die Staatsanwaltschaft in Mailand ermittelt gegen mutmaßliche Kriegstouristen. Gegenstand der Untersuchung sind Vorwürfe des Totschlags mit besonderer Grausamkeit und aus niederen Beweggründen. Die neuen Hinweise ergaben sich aus einer 2022 veröffentlichten Doku namens "Sarajevo Safari".

Dokumentarfilm brachte Ermittler auf Fährte

Zeugen erwähnten darin, dass wohlhabende Touristen eine Menge Geld zahlen würden, um von den serbisch besetzten Hügeln auf die bosnischen Zivilisten in der Stadt zu schießen. Lange wurden die Behauptungen angezweifelt, doch italienische Ermittler haben nun eine konkrete Spur.

Die Ermittler versuchen, fünf Italiener aus Turin, Mailand und Triest zu identifizieren, die zwischen 1993 und 1995 nach Sarajevo gereist sein sollen – offenbar, um dort als Hobby-Scharfschützen an den Massakern während der Belagerung teilzunehmen, bei denen über 11.000 Menschen getötet wurden.

"Sniper-Alley"

Über 1.000 davon sollen durch Scharfschützen getötet worden sein. Die Hauptstraße Sarajevos bekam den traurigen Spitznamen "Sniper-Alley". Jeder konnte jederzeit ohne Vorwarnung und ohne sichtbaren Schützen erschossen werden.

Sarajevo, 26. März 1995: Eine aus zerstörten Autos errichtete "Schutzmauer" soll auf Wegen durch die bosnische Hauptstadt Schutz vor Scharfschützen bieten
Reuters

Rechtsextreme Waffennarren reisten nach Sarajevo

Recherchen der Tageszeitungen "Il Giornale" und "La Repubblica" zufolge trafen sich damals sogenannte "Wochenend-Scharfschützen" – meist rechtsextreme Waffennarren – in Triest, um gemeinsam von Belgrad nach Bosnien und Herzegowina zu reisen.

Dort sollen sie den bosnisch-serbischen Milizen um Radovan Karadžić bis zu 100.000 Euro gezahlt haben, um "aus reinem Vergnügen" von den Hügeln Sarajevos auf die belagerte Zivilbevölkerung zu schießen. Laut den Ermittlungsakten der Mailänder Staatsanwaltschaft hätten diese "wohlhabenden Ausländer während der Wochenend-Safaris unmenschliche Handlungen begangen".

Bildvergleich: Eine Straße im Stadtteil Kovačići 1996 (oben) und 2011 (unten).
REUTERS

Reisen vom serbischen Sicherheitsdienst organisiert

Eine Quelle in Bosnien-Herzegowina berichtete, dass der bosnische Geheimdienst Ende 1993 das örtliche SISMI-Hauptquartier (Militärischer Nachrichten- und Sicherheitsdienst Italiens) über die Anwesenheit von mindestens fünf Italienern in den Hügeln rund um Sarajevo informierte. Diese Personen sollen zusammen mit Soldaten Zivilisten erschossen haben, wie der Schriftsteller Ezio Gavazzeni angibt, der sich mit einem ehemaligen Agenten des bosnischen Militärgeheimdienstes ausgetauscht hatte.

In der Anzeige von Gavazzeni kommen zudem Zeugen zu Wort, die von der Organisation der Reisen berichteten. Diese sollen demnach mit Unterstützung von Strukturen erfolgt sein, die dem serbischen Sicherheitsdienst zugerechnet werden, sowie mit logistischer Hilfe von Unternehmen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

{title && {title} } NW, {title && {title} } 13.11.2025, 12:54
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