In der schwerwiegenden Korruptionsaffäre rund um den ukrainischen Energiesektor greift Präsident Wolodymyr Selenskyj nun selbst hart durch. Gegen seinen langjährigen Vertrauten Timur Minditsch wurden per präsidialem Dekret umfassende Sanktionen verhängt – darunter das Einfrieren sämtlicher Vermögenswerte des 46-Jährigen und eines weiteren Geschäftsmanns.
Minditsch steht im Zentrum eines mutmaßlichen Schmiergeldsystems, das Anfang der Woche publik wurde und bereits zwei Minister zum Rücktritt gezwungen hat. Die Vorwürfe betreffen millionenschwere Verträge unter möglicher Beteiligung des staatlichen Energieversorgers Energoatom.
Laut Staatsanwaltschaft soll Minditsch "Kontrolle über die Anhäufung, Verteilung und Legalisierung von Geldern aus, die durch kriminelle Handlungen im Energiesektor der Ukraine erlangt wurden" ausgeübt haben. Insgesamt sollen so rund 86 Millionen Euro abgeflossen sein.
Brisant ist auch der Verdacht, Minditsch habe auf hochrangige Regierungsmitglieder Einfluss genommen – darunter sogar den früheren Verteidigungsminister Rustem Umerow, heute Vorsitzender des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats. Kurz bevor die Ermittlungen öffentlich wurden, verließ Minditsch die Ukraine.
Der Unternehmer ist Mitgründer der Produktionsfirma Kwartal 95, jenem Medienunternehmen, das Selenskyj selbst aufgebaut hatte, bevor er zum Präsidenten wurde.
Die Affäre trifft die ukrainische Regierung in einer Phase, in der das Land durch den Krieg mit Russland ohnehin enorm belastet ist. Wie berichtet, traten am Mittwoch Energieministerin Switlana Grintschuk und ihr Vorgänger Justizminister Herman Haluschtschenko zurück. Die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wirft Haluschtschenko vor, "persönliche Vorteile" von Minditsch erhalten zu haben – gegen Kontrolle über die Finanzströme im Energiesektor. Haluschtschenko weist alle Anschuldigungen zurück.
Grintschuk wird zwar nicht direkt beschuldigt, gilt jedoch als enge Vertraute Haluschtschenkos und ist deshalb politisch mitbetroffen. Das Parlament soll am Freitag über die Rücktritte entscheiden.
In der Bevölkerung sorgt der Skandal für massive Empörung, gerade weil Russlands Angriffe seit Beginn des Krieges im Februar 2022 immer wieder gezielt die Energie-Infrastruktur treffen. Viele Ukrainer fordern angesichts des bevorstehenden Winters stärkere Maßnahmen zum Schutz des Stromnetzes.