Immer wieder stockt Lydia E. die Stimme, sie ist hörbar den Tränen nahe. Die 42-Jährige wandte sich an "Heute", weil sie sich von der Hausverwaltung VIVIThv GmbH und der Gemeinde Vösendorf im Stich gelassen fühlt.
"Ich will jetzt meine Rechte", sagt die Niederösterreicherin, die wegen des anhaltenden Schimmels in der Wohnhausanlage der Gemeinde mittlerweile massive gesundheitliche Probleme hat: "Ich war jung, Anfang zwanzig, als ich von Oberösterreich an den Wiener Stadtrand zog", erklärt E. und fügt an: Es gebe Tage, an denen sie zusammenbreche, wegen der Begleiterscheinungen ihrer Krankheiten.
Lydia E. hat eine lange Liste an gesundheitlichen Problemen, doch erst seit einiger Zeit sieht sie einen Zusammenhang mit dem baulichen Zustand ihres Gemeindebaus: "Ich habe Morbus Hashimoto, eine schwere Schilddrüsenunterfunktion und eine Fibromyalgie, die man früher Weichteilrheuma nannte. Beides wegen der Schimmelsporen. Ich bin hier im Haus sehr schwer krank geworden", sagt E.
Es ist ein Dilemma, denn Lydia E. hat beschlossen auf Ihre Rechte zu bestehen, sie will ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen, die günstige Gemeindewohnung nicht einfach zurückgeben: "Wo findet man noch sowas? Die Miete beträgt 338 Euro." Doch zu allem Überdruss hat E. jetzt auch noch mit einer Nachbarin zu kämpfen, die ebenfalls in der ehemaligen Mietskaserne für Arbeiter lebt – direkt über ihr.
"Durch mein Klo zieht tagtäglich Marihuana-Gestank in meine Wohnung", sagt E. gegenüber "Heute". Zum Schimmel, den korrodierten Heizungsrohren und nicht geerdeten Leitungen kommt auch noch der Lärm der Nachbarin hinzu, der auch schon mit einer Unterlassungsklage, die "Heute" vorliegt, quittiert wurde. "Was muss noch passieren, damit Gemeinde und Hausverwaltung endlich etwas tun?", fragt Lydia E. und verweist auf den seitenlangen Schriftverkehr.
"Verdammte Sch...!", rutscht es E. dann heraus. Ihre Stimme zittert: "Meine erste Wohnung hier musste ich abgeben, wurde wegen akuter Gefahr umgesiedelt, so verschimmelt war alles." Ein Betretungsverbot sei ausgesprochen worden. Unter einem Laminatboden und einer Schicht altem Linoleum sei ein vermoderter Holzboden aufgetaucht, in dem kleine schwarze Käfer lebten.
"Man wollte mich dann in ein noch desolateres Haus der Gemeinde einquartieren, was ich abgelehnt habe. Dann konnte ich in meine jetzige Wohnung im Zwischengeschoss ziehen, wo ich seit etwa drei Jahren bin", erinnert sich Lydia E. Hier sei der Horror erst richtig losgegangen, sagt E., denn unter einer dünnen Schicht Farbe verbarg sich auch in der neuen Gemeindewohnung Schimmel. Dann kam aber auch noch täglicher Lärm und Cannabis-Geruch hinzu.
"Können Sie bitte die Frau L. darauf aufmerksam machen, dass es noch andere Bewohner gibt?", oder: "Es besteht ein Gerichtsurteil gegen Frau L. und auch zwei Exekutionsanträge. Selbst da wird nichts unternommen!", solche Sätze schrieb E. ihrer Hausverwaltung.
Fast wie ein böser Scherz liest sich das Versäumungsurteil gegen die Nachbarin: "Die Beklagte ist schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution, die bislang von ihr oder ihren Familienangehörigen in ihrem Mietobjekt in 2331 Vösendorf, Ortsstraße ..., verursachte Lärmbelästigung und Geruchsbelästigung durch das Rauchen, insbesondere das Rauchen von Marihuana, soweit diese das ortsübliche Ausmaß übersteigt, zu unterlassen."
"Von einem ortsüblichen Maß bezüglich des Rauchens von Marihuana ist mir nichts bekannt", sagt E.: "Ich will einfach nur, dass endlich etwas geschieht. Ich habe auch meine Rechte. Wie komme ich dazu, wegzuziehen?" Dann hebt sich plötzlich ihre Stimme: "Ich gebe nicht auf! Ich zahle für meine Gemeindewohnung. Es ist mein Recht, in einer ordentlichen Wohnung zu leben."
"Heute" wollte von der Geschäftsführerin der VIVIThv GmbH, Katharina Eicher, wissen, wie sich der Fall von Lydia E. für die Hausverwaltung darstellt, und, ob diese Kontakt zu E. hatte. Die Antwort fiel lapidar aus: "Im Falle dessen, dass sich MieterInnen bei uns melden, haben wir Kontakt mit Ihnen, so auch mit Frau E.", schreibt Eicher.
Dann wird es skurril: "Aktuell war uns nicht bekannt, dass es ein Schimmelproblem gibt", heißt es weiter. Bei bisherigen Meldungen sei seitens der Hausverwaltung eine Fachfirma beauftragt worden, den Schimmel fachmännisch zu entfernen, sodass keine Gesundheitsgefährdung davon ausgehe.
Zum Cannabis-Geruch gefragt, sagt Eicher: "Frau E. hat uns dies mitgeteilt. Seitens des Liegenschaftseigentümers oder der Hausverwaltung, können nur weitere rechtliche Schritte gesetzt werden, wenn Beweise vorliegen, welche die Anschuldigungen untermauern, wie zum Beispiel Polizeianzeigen." Doch lägen bis dato keine entsprechenden schriftlichen Beweise vor und auch die Polizei habe keine Auskunft geben können.
Da keine Beweise vorliegen würden, könne nichts unternommen werden. Das Mietrechtsgesetz schütze die Nachbarin. Eine Kündigung bedürfe schriftlicher Beweise, um vor Gericht zu bestehen. Man sei aber an einer Lösung interessiert und werde sich mit Lydia E. erneut in Verbindung setzen.
"Heute" hat auch der Gemeinde Vösendorf eine lange Anfrage geschickt, die bis dato nicht beantwortet wurde. Die weitere Recherche ergab aber, dass die Gemeinde Vösendorf, trotz erheblicher Einnahmen – insbesondere durch die SCS – seit der Jahrtausendwende dauerhaft hoch verschuldet ist.
Im Jahr 2016 kam es zu einer Explosion der Schulden als Auswirkung einer Bau-Affäre, rund um den nie gebauten Südtower: Die Gemeinde musste einen gerichtlichen Vergleich mit dem Projektbetreiber annehmen und 18 Millionen Euro zuzüglich der Verfahrenskosten zahlen, um ihre drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Die Klagesumme hatte nämlich durch die angefallenen Zinsen bereits eine Höhe von rund 40 Millionen Euro erreicht.
Zwar gelang zwischen 2020 und 2023 ein Schuldenabbau von ca. 4,5 Millionen Euro, doch dürfte der gegenwärtige Schuldenstand mehr als 30 Millionen Euro betragen. Von den jährlichen Fixkosten in der 2 Millionen Euro, fließt fast die Hälfte in die Tilgung des Südtower-Darlehens. Damit bleibt mutmaßlich wenig Spielraum für Investitionen in Gemeindewohnungen.
"Heute" hat Lydia E. mit der Antwort ihrer Hausverwaltung konfrontiert. Die 42-Jährige sagt, sie könne es kaum glauben: "Das ist doch Wahnsinn! Sie widersprechen sich gleich in zwei Antworten. Es ist ihnen natürlich bekannt, dass es nach wie vor Schimmel gibt! Natürlich ist alles dokumentiert, sonst würde ich das alles gar nicht machen."
E. sagt, sie habe in mehreren Gesprächen angeboten, weitere Unterlagen zu schicken: "Auch die Unterlassungsklage gegen die Nachbarin habe ich an die Gemeinde weitergeleitet, aber eine schriftliche Antwort gab es bis heute nicht, wohl aus Gründen."