Trotz Taliban-Verbot

Botox unter Burka – Schönheitskliniken in Kabul boomen

Trotz strenger Taliban-Regeln boomen in Kabul Schönheitskliniken. Der Wunsch nach Veränderung überwiegt Verbote und Armut.
Newsdesk Heute
06.10.2025, 18:07
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Von der Decke hängen prunkvolle Kronleuchter, auf samtigen Sofas warten die Klienten: Wer eine der rund 20 Schönheitskliniken in Kabul betritt, taucht in eine andere Welt ein. Die strengen Vorschriften der Taliban scheinen hier keine Rolle zu spielen.

Stattdessen steht der Wunsch der Frauen nach glatter Haut oder die Unzufriedenheit der Männer mit ihrem kahlen Schädel im Mittelpunkt.

Für Silsila Hamidi ist es bereits die zweite Schönheits-OP – und das mit nur 25 Jahren. Ihre Haut leide unter den "zahlreichen Belastungen", denen afghanische Frauen ausgesetzt sind, erzählt sie. Vor zwei Jahren ließ Hamidi sich schon Kinn und Wangen straffen, jetzt will sie Augenpartie und Stirn liften lassen, weil diese, wie sie sagt, "anfingen, schlaff zu werden".

"Sich im Spiegel schön zu finden, verleiht Energie"

"Auch wenn andere uns nicht sehen, wir selbst sehen uns: Sich im Spiegel schön zu finden, verleiht Energie", sagt die 25-Jährige, bevor sie sich unters Messer legt. Hamidi ist selbst Ärztin, ihr Zahnmedizinstudium hat sie gerade noch rechtzeitig abgeschlossen, bevor die Taliban Frauen von den Unis verbannten. Als Ärztin arbeitet sie aber nicht mehr.

Seit die Taliban 2021 wieder an die Macht gekommen sind, dürfen Frauen viele Berufe nicht mehr ausüben, nicht ohne männliche Begleitung reisen, auch ins Fitnessstudio gehen oder im Park spazieren ist nicht mehr erlaubt. Friseur- und Schönheitssalons für Frauen mussten zusperren. "Hätten sie geöffnet, wäre unsere Haut nicht in diesem Zustand und wir müssten uns nicht operieren lassen", kritisiert Hamidi.

Ausgerechnet seit die Islamisten wieder das Sagen haben, boomen die Schönheitskliniken in Kabul. Ärzte aus dem Ausland, vor allem aus der Türkei, kommen regelmäßig, um Afghanen auszubilden. Die angehenden afghanischen Schönheitsmediziner machen wiederum Praktika in Istanbul. Geräte und Material werden aus Asien und Europa importiert – von so einer Ausstattung können Ärzte in afghanischen Krankenhäusern nur träumen.

"Fehlen von Haaren oder Bart als Zeichen der Schwäche"

Nach Ansicht der Taliban ist das Verändern von körperlichen Merkmalen laut islamischem Recht verboten. Warum sind dann Botox, Lifting und Haartransplantationen – im Gegensatz zu Kosmetikbehandlungen – erlaubt? Die Taliban-Behörden haben auf mehrfache Anfragen der Nachrichtenagentur AFP nicht geantwortet.

Branchenvertreter sagen, ihre Angebote würden als medizinische Eingriffe behandelt. Die Regierung mischt sich nicht ein, die Sittenpolizei schaut nur, ob die Geschlechtertrennung eingehalten wird. Unter den Kunden sollen sogar Taliban sein, erzählen Klinikmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand.

"Hier gilt das Fehlen von Haaren oder Bart als Zeichen von Schwäche", erklärt Sajed Sadran, der Vizechef der Klinik Negin Asia. Seit Männer einen mindestens faustlangen Bart tragen müssen, boomt die Haartransplantation, sagt Bilal Khan von der EuroAsia-Klinik, die in Kabul bald eine zweite Filiale eröffnet.

"Manche investieren das Geld, das sie für Essen bräuchten"

In der zur Klinik umgebauten vierstöckigen Villa werden laut Dermatologe Abdul Nassim Sadiki die gleichen Methoden "ohne Risiko" wie im Ausland angewandt. Die Preise: Umgerechnet 37 bis 75 Euro für eine Botox-Behandlung, 225 bis 437 Euro für eine Haartransplantation. Ein echtes Schnäppchen für Mohammed Shoaib Yarzada, einen in London lebenden afghanischen Wirt. Der 39-Jährige nutzt den ersten Besuch in seiner Heimat nach 14 Jahren, um sich das schüttere Haar auffüllen zu lassen. In England müsste er dafür Tausende Pfund zahlen.

Für die meisten der 48 Millionen Afghanen sind Schönheits-OPs aber unleistbar. Die Hälfte lebt in Armut, zehn Millionen hungern, ein Drittel hat keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.

"Manche investieren das Geld, das sie eigentlich für Essen bräuchten, lieber in ihre Schönheit", sagt Lucky Khaan, Co-Direktorin von Negin Asia, die täglich Dutzende neue Patienten zählt. Auch in Afghanistan hätten Beauty-Influencer großen Einfluss, berichtet die Chirurgin. "Viele kommen ohne echte Probleme, wollen sich aber operieren lassen, weil sie die Trends auf Instagram gesehen haben."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 06.10.2025, 19:23, 06.10.2025, 18:07
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