Online boomt die Hautpflege-Welt immer stärker: Während User sich in diversen Foren austauschen und ihre Skincare-Tipps teilen, starten immer mehr Hautärzte mit eigenen Accounts auf Social Media durch, um ihre Community besser über Pflegeprodukte aufzuklären. Scrollt man länger auf TikTok herum, stoßt der ein oder andere auf sogenannte "Sulfur-Skincare"-Videos.
Mit bestimmten Kosmetika, die Schwefel beinhalten, sollen nämlich Unreinheiten komplett verschwinden. Laut einer Wiener Hautärztin sollten aber manche lieber die Finger davon lassen.
"In der Dermatologie wird Schwefel als relativ 'klassischer' Wirkstoff gesehen: Er ist altbekannt – in modernen, gut formulierten Produkten hat er aber nach wie vor seinen Platz", erklärt Sabine Schwarz, Fachärztin für Dermatologie und "Hautzentrum Wien"-Leiterin. Von Pflegeprodukten über Salben und Tinkturen bis hin zu Seifen – in diversen Kosmetika kann der Stoff gefunden werden. "Meist beinhalten solche Produkte Schwefel in einer Konzentration von drei bis zehn Prozent. In der Dermatologie ist die Aknichthol-Lotion ein typisches, altbewährtes Sulfurprodukt: Bei Pusteln betupft man die betroffenen Stellen mit der Creme ein. Bezahlt wird es sogar von den Kassen", teilt Schwarz mit.
Obwohl Schwefelprodukte auf TikTok und Instagram von unzähligen Influencern beworben werden, wird auf diese nicht sofort beim Arzt zurückgegriffen: "Man muss aber sagen, dass in der Dermatologie modernen Rezepturen, zum Beispiel mit Benzoylperoxid, oft der Vorzug gegeben wird. Sie irritieren die Haut nicht so stark und das Risiko einer starken Reizung oder Rötung der Haut ist um einiges geringer", verrät die Wiener Dermatologin.
"Schwefel besitzt eine keratolytische (= schälende) Eigenschaft: Das Element kann die Abschuppung der oberen Hornzellen der Haut fördern und mithelfen, verstopfte Poren zu öffnen und Mitesser oder Komedone zu reduzieren", so Schwarz. Laut der Hautärztin wirken Schwefelprodukte oft antibakteriell gegen spezielle Hautbakterien, die fast immer an Hauterkrankungen, wie Akne, beteiligt sind.
"Außerdem regulieren sie die Talgproduktion und trocknen eher aus: Durch Absorption des überschüssigen Talgs, wird das Hautbild weniger ölig und Bakterien besitzen einen schlechteren 'Nährboden' um zu wachsen. So können zum Beispiel Pusteln 'ausgetrocknet' werden", verrät die Dermatologin.
Auf TikTok trenden die Produkte mit der niedrigen Schwefelkonzentration extrem, doch die Hautärztin betont, dass nicht jeder auf diese zurückgreifen sollte: "Gerade bei empfindlicher, trockener oder sogar allergischer Haut ist jedes schwefelhaltige Produkt absolut kontraproduktiv. Der Wirkstoff kann zu massiven Irritationen, schweren Ekzemen und manchmal in hoher Konzentration zu lang anhaltender Schädigung der empfindlichen Hautbarriere führen."
Im Netz präsentieren Content Creatoren gerne ihre Hautpflege-Routine in Videos. Schnell wird sichtbar, wie viele Produkte sie tatsächlich verwenden. Bei einigen Kombinationen muss man aber vorsichtig sein: "Gerade Retinol und Salicylsäure sind zwei Wirkstoffe, die ähnlich wie Schwefel bei allen positiven Wirkeigenschaften besitzen. Sie können ebenfalls potenziell irritieren, regulieren wiederum aber auch die Talgproduktion", erklärt Schwarz. "Wir setzen im Hautzentrum, zum Beispiel gerade Retinol in vielen Rezepturen ein. Der Inhaltsstoff besitzt viele positive Eigenschaften und ist auch als bekannter, toller Anti-Aging-Wirkstoff bekannt, dennoch kombinieren wir diesen nie mit Schwefel."
Wer die Schwefelprodukte austesten möchte, sollte auf einiges achten: "Man sollte sein Gesicht davor mild mit Wasser oder einer sanften Reinigung waschen und keine aggressiven Peelings oder alkoholhaltigen Tonics zum Reinigen verwenden. Die Schwefelprodukte sollte man möglichst dünn auftragen: Eine dünne Schicht genügt – ist es zu dick aufgetragen, erhöht sich das Risiko für Reizungen und Austrocknung", meint Schwarz schließlich.