Die Integration von Geflüchteten sei jenseits aller moralischen Ansprüche eine ökonomische Notwendigkeit", sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Für ihn ist klar: "Wir müssen die Menschen, denen wir Asyl geben, von Beginn an intensiv fördern, damit sie irgendwann selbstständig werden können." Andernfalls würden hohe Folgekosten drohen.
Die Forderung, Flüchtlinge ab Tag eins auch zur Jobsuche zu verpflichten, sei aber unrealistisch – ohne vorherige Deutschkurse gehe das schlicht nicht, so Kopf zu "Heute" (ganzes Interview im Video unten). Gewisse Kenntnisse der deutschen Sprache seien heute Grundvoraussetzung, selbst in Hilfstätigkeiten.
Johannes Kopf über:
"Die Herausforderung ist wieder größer geworden. Denn jetzt kommen Personen zu uns, die nicht wie 2015 bis vor Kurzem in ihrem Land noch ein geregeltes Leben hatten. Sondern jetzt kommen Menschen, die zuvor vielleicht fünf Jahre im Libanon und zwei Jahre in der Türkei in einem Flüchtlingslager waren und nicht gearbeitet, die Schule vielleicht nicht abgeschlossen haben. Der Anteil der Niedrigqualifizierten nimmt massiv zu und das ist schwierig. Wie integrieren wir jemanden, der nicht lesen, schreiben und rechnen kann und jahrelang in einem Flüchtlingslager war?"
„Wie integrieren wir jemanden, der nicht lesen, schreiben und rechnen kann und jahrelang in einem Flüchtlingslager war?“Johannes KopfAMS-Chef
"Unsere Erfahrung ist: Wer gar kein Deutsch kann, den kann ich nicht vermitteln – nicht einmal in die Reinigung. Zum Beispiel: Sätze wie 'Können Sie heute bitte das Altpapier nicht mitnehmen' oder 'Da hinten die Blumen bitte wegräumen' – die sollte man verstehen, um den Job zu machen."
Eine Erkenntnis, die selbst Kopf überrascht hat: "Die Integration der Afghanen ist oft schneller als die der Syrer – obwohl Syrer im Schnitt besser qualifiziert sind." Der Grund: "Ein höher qualifizierter Job braucht mehr Sprache. Wer Schnee schaufelt, braucht weniger Deutsch als ein Arzt. Wir haben mittlerweile über 200 syrische Ärztinnen und Ärzte, die in Österreich nostrifiziert wurden. Dafür müssen sie an einer österreichischen Uni Ergänzungsprüfungen machen – auf Deutsch." Bis dahin dauere es im Schnitt drei Jahre. "Aber ganz ehrlich: als Patient sage ich: Ich hätte gern, dass der Arzt nicht Magen und Darm verwechselt. Also ist gut Deutsch zu lernen wichtig."
„Wer Schnee schaufelt, braucht weniger Deutsch als ein Arzt.“Johannes KopfAMS-Chef
"Unabhängig davon, wie man dazu steht – Integration ist alternativlos. Die Folgekosten, wenn wir nicht in diese Menschen investieren, ihnen nicht die Sprache gescheit beibringen, sie nicht fördern, damit sie irgendwann selbstständig werden können und auch eine Arbeit finden, sind viel höher. Da brauche ich gar nicht mehr zu diskutieren, ob es eine Frage von Anstand ist.
Ich bin auch der Meinung, man sollte noch mehr Geld in die Hand nehmen, um Geflüchtete zu integrieren. Jeder junge Syrer oder Afghane soll sofort in ein ganztägiges Bildungs- und Sprachprogramm. Die sollen gar nicht auf dumme Gedanken kommen beim Rumsitzen."
„"Wenn jemand nicht bereit ist, mitzuarbeiten, braucht es Sanktionen. Das ist auch wichtig, um die Solidarität in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten."“Johannes KopfAMS-Chef
"Wenn jemand nicht bereit ist, mitzuarbeiten, braucht es Sanktionen. Das ist auch wichtig, um die Solidarität in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten."
Im Regierungsprogramm ist vorgesehen, arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger künftig direkt dem AMS zuzuweisen, um ihre (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Kopf sieht diesen Plan grundsätzlich positiv – mit einem klaren "Aber": "Da muss man sich mit neun Bundesländern einigen, vor allem über die Höhe der Unterstützung – insbesondere für Ausländer.“ Auch verfassungsrechtlich sei noch vieles unklar.