"Wird Varianten geben müssen"

Ministerin erklärt: So wird die neue Sozialhilfe

SP-Sozialministerin Schumann im "Heute"-Talk zur Sozialhilfe-Reform: Kindergrundsicherung, Wartezeit auf Voll-Anspruch, Kürzung bei Nicht-Integration.
Angela Sellner
18.07.2025, 06:00
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"Heute": Frau Ministerin, die von der Regierung angekündigte Reform der Sozialhilfe wird von vielen in der Bevölkerung dringend erwartet. Fälle wie jene Zuwanderer-Familie, die auf 9.000 Euro monatliche Unterstützung kommt, haben für Empörung gesorgt...

Korinna Schumann: 9.000 Euro für eine Großfamilie – das ist natürlich für jemanden, der arbeiten geht, sehr schwer nachvollziehbar. Das ist gar keine Frage. Wir brauchen eine Sozialhilfe Neu, welche die Menschen absichert, aber gleichzeitig auch neue Akzente setzt. Erstens sollen alle, die arbeitsfähig sind, zum AMS vermittelt werden und möglichst in Beschäftigung kommen. Außerdem wollen wir Kinder aus der Sozialhilfe ausgliedern und über eine eigene Kindergrundsicherung absichern. Und bei Zuwanderern soll eine Integrationsphase vor dem Anspruch auf volle Sozialhilfe implementiert werden. Eine Menge an Vorhaben also, die man nur in enger Abstimmung mit den Ländern machen kann.

Wie weit sind Sie denn schon in den Verhandlungen für die Sozialhilfe Neu?

Wir haben die genannten, im Regierungsprogramm enthaltenen Vorhaben hinsichtlich der Möglichkeiten ihrer Umsetzung jetzt in die verfassungsrechtliche Prüfung geschickt. Das Projekt bedingt viele Änderungen in der Systematik, auch zwischen Bund und Ländern – da ist gute Vorarbeit zu leisten, damit die Regelung am Ende nicht wieder aufgehoben wird. Das wollen wir auf keinen Fall.

Die konkreten Verhandlungen starten erst nach dieser rechtlichen Prüfung?

Ja. Auf diese Gutachten warten wir jetzt, das ist die Grundlage für die weitere Arbeit. Und zweitens setzen wir in Abstimmung mit dem Ressort von Familienministerin Plakolm als Grundlage für die Kindergrundsicherung eine Studie auf, wie die Familienleistungen in Österreich gesamt strukturiert sind.

Sozialministerin Schumann: "Es leben viele Kinder bei uns an der Armutsgrenze."
Helmut Graf
„Ein Fokus der Kindergrundsicherung soll auf Sachleistungen liegen – Kindergarten, gesunde Jause, Schulmaterialien beispielsweise.“
Korinna SchumannSozialministerin (SPÖ)

Wie soll die Kindergrundsicherung aussehen?

Das müssen wir im Detail verhandeln. Ein großer Fokus soll auf Sachleistungen liegen – Kindergarten, gesunde Jause, Schulmaterialien beispielsweise. Dazu kommen natürlich Transferleistungen wie die Familienbeihilfe, die es bereits gibt. Wir wollen ein gutes Gesamtpaket schnüren. Das ist dringend notwendig, denn es leben wirklich viele Kinder bei uns an der Armutsgrenze. Es betrifft auch Alleinerzieherinnen, die Sozialhilfe erhalten.

Derzeit variiert die Höhe der Sozialhilfe je nach Bundesland, am meisten zahlt Wien. Laut Regierungsprogramm soll es künftig bundesweit einheitliche Sätze geben. Ist es realistisch, dass man sich da auf eine Höhe einigen wird können?

Die Einheitlichkeit der Sozialhilfe ist das Ziel, absolut. Aber es wird wahrscheinlich Varianten geben müssen. Die Wohnkosten in manchen Bundesländern sind wesentlich höher als in anderen, darauf ist Bedacht zu nehmen. Umso wichtiger ist eine ganz enge Abstimmung mit den Ländern.

"Enge Abstimmung mit den Ländern ist bei der Sozialhilfe-Reform extrem wichtig", sagt SP-Sozialministerin Schumann.
Helmut Graf
„Bei der Höhe der Sozialhilfe wird es wahrscheinlich Varianten geben müssen. Die Wohnkosten in manchen Bundesländern sind wesentlich höher als in anderen, darauf ist Bedacht zu nehmen.“
Korinna SchumannSozialministerin (SPÖ)

Für Zuwanderer soll die Sozialhilfe an erfolgreiche Integration geknüpft werden?

Ja, auch die geplante Integrationsphase, also eine Wartezeit bis zum möglichen Anspruch auf volle Sozialhilfe, lassen wir derzeit verfassungs- und europarechtlich prüfen. Wesentlich ist aber die Integration ab dem ersten Tag. Wir wollen, dass die Menschen rasch Deutsch lernen, dass sie gut in die Wertestruktur unserer Gesellschaft eingepasst werden können, dass sie so schnell wie möglich in Beschäftigung kommen. Wir sollten dieses Arbeitskräftepotenzial nützen. Wichtig ist auch, dass wir die Anerkennung der Ausbildungen und Qualifikationen dieser Menschen beschleunigen.

Wer sich dem Integrationsprogramm verweigert oder einen Job nach dem anderen ablehnt, muss mit Kürzung der Sozialhilfe rechnen?

Ja, solche Sanktionen haben wir bereits sowohl im AMS- als im Sozialhilfesystem – das ist selbstverständlich. Es muss erwartet werden, dass man bereitsteht, auch seinen Teil einzubringen. Wer arbeitsfähig ist und keine Betreuungspflichten hat, muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Wer arbeitsfähig ist und keine Betreuungspflichten hat, muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Helmut Graf
„Bei Zuwanderern soll eine Integrationsphase vor dem Anspruch auf volle Sozialhilfe implementiert werden.“
Korinna SchumannSozialministerin (SPÖ)

Die Kosten für die Sozialhilfe steigen stetig, im Vorjahr war es bereits rund eine Milliarde Euro...

Das ist ein Resultat der Situation am Arbeitsmarkt. Wir brauchen Beschäftigung – das ist die Grundlage für all unsere Systeme. Die Menschen sollen aus der Sozialhilfe raus und in Beschäftigung kommen, das ist das Ziel. Ich hoffe sehr, dass sich die wirtschaftliche Situation in Österreich erholt, damit es auch einen Aufschwung am Arbeitsmarkt gibt.

Wie schaut der konkrete Fahrplan für die Reform der Sozialhilfe aus? Wann soll das stehen?

Wie gesagt, wir warten jetzt die verfassungsrechtliche Prüfung ab. Über das Ergebnis werden wir die Länder umgehend informieren, dann starten konkrete Verhandlungen. Natürlich sind wir auf Expertenebene schon in der Vorbereitung. Aber es geht am Ende um eine Abstimmung mit den Ländern und eine Einigung in der Koalition. Denn es ist ja nicht ein Vorhaben meines Hauses oder des Ressorts Plakolm – sondern das Vorhaben der gesamten Bundesregierung.

{title && {title} } sea, {title && {title} } 18.07.2025, 06:00
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