Kampf um Amazon-Betriebsrat

"Sitzen verboten" – so schlimm sind Amazon-Zustände

Vor Weihnachten gelang es Mitarbeitern von Amazon Österreich, einen Betriebsrat zu gründen. Dann klagte der Konzern auf "Nichtigkeit".
Aram Ghadimi
21.01.2025, 05:00

"Diesen Job machen nur die, die es am notwendigsten haben", sagt Horst Pammer, der Vorsitzende der Gewerkschaft für Verkehr und Dienstleistungen vida in Niederösterreich.

Dass es vor Weihnachten tatsächlich zur Gründung eines Betriebsrates für Arbeiter bei Amazon gekommen ist, bezeichnet der erfahrene Gewerkschafter als "Meilenstein" im Kampf um angemessene Arbeitsbedingungen. Es hatte Jahre gedauert.

„Wer sich unerlaubt hinsetzt, bekommt ein Disziplinargespräch.“
Horst PammerVorsitzender der Gewerkschaft vida in NÖ

Am 16. Dezember 2024 war es dann soweit: vida gab bekannt, dass sich unter Amazon-Arbeitern ein Vertretungsgremium gegenüber der Geschäftsführung zusammengefunden hat. Nur zwei Tage später, am 18. Dezember, brachte die Konzernvertretung eine Klage gegen die Arbeiter ein. "Heute" hat beide Seiten befragt, wie es dazu gekommen ist.

Liste und Gegenliste für Amazon-Betriebsrat

"Warum ist in Klagenfurt ausgerechnet nach Bekanntwerden der Wahl im niederösterreichischen Großebersdorf eine konkurrierende Liste entstanden?", fragt Pammer. Das Amazon-Verteilzentrum am Klagenfurter Südring ist erst im Herbst 2022 eröffnet worden und einer von mehreren Standorten in Österreich. Eine überschaubare Zahl von Mitarbeitern stünde dort aufgrund der Betriebsgröße in einem recht engen Kontakt zur Betriebsleitung.

„Wenn ich Amazon wäre, würde ich genau das machen, was sie gerade versuchen.“
Jorge PlautVorsitzender des Arbeiter-Betriebsrats

"Wie das abgelaufen ist, lässt zumindest die Vermutung zu, dass man in Kärnten eine der Geschäftsführung nahe Liste forciert hat, um die Liste des Zentralwerks in Niederösterreich zu unterwandern", sagt Pammer. Amazon hingegen spricht von einer undemokratischen Wahl.

Amazon zweifelt an Rechtmäßigkeit

"Uns ist es wichtig, von Anfang an für die Mitarbeitenden zu klären, ob der aktuelle Betriebsrat für Arbeiter ordnungsgemäß gewählt wurde", sagt Franziska Helmetsberger, Sprecherin bei Amazon Österreich.

Nach gründlicher Prüfung sei man der Meinung, dass das nicht der Fall sei. Man habe Hinweise aus der Belegschaft, dass der Wahlprozess nicht demokratisch abgelaufen sei.

Deshalb klagte Amazon auf "Nichtigkeit" der Wahl. Bis zur gerichtlichen Klärung am Bezirksgericht Korneuburg wolle man selbstverständlich mit dem bestehenden Betriebsrat der Arbeiter und seinem Vorsitzenden Jorge Plaut zusammenarbeiten.

Der sagt: "Wenn ich Amazon wäre, würde ich genau das machen, was sie gerade versuchen. Das ist ganz logisch." Es sei die typische Politik großer US-Konzerne wie Amazon, alle Formen von gewerkschaftlicher Organisation zu bekämpfen.

Ex-Chef als Amazon-Betriebsrat

Zwei Wochen vor Jahreswechsel, mitten im Weihnachtsstress, verlautbarte die Gewerkschaft, dass Plaut zum Vorsitzenden des neuen Betriebsrates gewählt worden war. Pammer beschreibt den 40-Jährigen, der vor rund acht Jahren aus Venezuela nach Österreich kam als "ausgesprochen mutig".

Plaut, der in Venezuela Niederlassungen von Kawasaki und Nissan leitete, hat einen österreichischen Pass und arbeitet fast so lange bei Amazon, wie es den Konzern hierzulande gibt. Heute vertritt er die knapp 700 Beschäftigten in Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten gegenüber der Konzern-Leitung.

Er sagt, dass die Angst der Beschäftigten, gekündigt zu werden, lange verhindert hat, dass sich diese organisieren. Hinzu kam, dass etwa 80 Prozent nicht Deutsch als Muttersprache haben, also eine gemeinsame Sprache fehlte.

Bei Amazon sorgen Kurzverträge und Kündigungen für eine hohe Personalfluktuation. Der Konzern steht im Ruf, sich genau das als Geschäftsmodell zu Nutze zu machen. Plaut sagt, dass ein sehr hoher Druck auf den Arbeitern lastet.

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"Verzögern und Abdrehen"  von Amazon-Betriebsrat wird nicht funktionieren

Überwachungskameras, die laut Amazon lediglich zur Sicherung der Ware dienen, würden zur Disziplinierung eingesetzt, heiße es von Seiten der Belegschaft, sagt Pammer: "Wer sich unerlaubt hinsetzt, bekommt ein Disziplinargespräch."

Und: "Diese Arbeit ist extrem hart. Wer nicht funktioniert, wird ausgetauscht." Auch deshalb sei es beachtlich, dass nun ein Betriebsrat existiert. "Dem Gerichtsprozess sehe ich gelassen entgegen", sagt Pammer.

Selbst wenn sich der aktuelle Betriebsrat auflösen müsse, werde einfach neu gewählt. Die Taktik "Verzögern und Abdrehen" wird in Österreich nicht funktionieren, darauf könne sich Amazon schon einstellen, sagt Pammer. Die Amazon-Sprecherin betont, dass das nicht im Interesse von Amazon sei.

Pammer fügt noch an: "Unsere Hand bleibt ausgestreckt, auf dem Weg zurück in die Sozialpartnerschaft." Die Gewerkschaft vida hat, kurz nachdem bekannt wurde, dass Amazon eine Klage eingebracht hat, ihrerseits ebenfalls eine Anwaltskanzlei beauftragt.

Und auch ein Gerichtstermin steht schon fest: Am 13. März 2025 wird im Saal 3, am Bezirksgericht Korneuburg, verhandelt. Bis dahin wird die Geschäftsführung von Amazon Österreich mit einem Betriebsratsvorsitzenden im Gespräch bleiben müssen, der einst selbst Geschäfte führte.

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 27.01.2025, 18:08, 21.01.2025, 05:00
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