Die Aufnahme des Trifidnebels und des Lagunennebels übertreffen alles bisher Dagewesene. Laut einer Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft lassen sich in den Tiefen der Bilder Objekte finden, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Die Abbildung der beiden Tausende Lichtjahre von der Erde entfernten Sternenkindergärten setzt sich aus 678 Einzelbildern zusammen, die während sieben Stunden mit der 3200-Megapixel-Kamera aufgenommen wurden.
Es handelt sich dabei um die größte jemals gebaute Digitalkamera der Welt. Zusammen mit dem 8,4-Meter-Teleskop liefert sie enorme Datenmengen. Die Kamera wird in den kommenden zehn Jahren im Rahmen des Flaggschiff-Projekts "Legacy Survey of Space and Time" Nacht für Nacht rund tausend Bilder des Südhimmels machen und am Ende den gesamten einsehbaren Himmel etwa 800 Mal abbilden.
Dabei wird Rubin eine ultrabreite, ultrahochauflösende Zeitrafferaufnahme des sich verändernden Nachthimmels erstellen, die detaillierte Informationen über Millionen sogenannter Veränderlicher Sterne enthält.
Veränderliche Sterne weisen von der Erde aus gesehen relativ kurzfristige Helligkeitsschwankungen auf, deren Ursache nicht durch Vorgänge im Sonnensystem erklärt werden kann.
Der Standort des von den USA finanzierten Vera C. Rubin Observatoriums auf dem Gipfel des Cerro Pachón in Zentralchile bietet aufgrund der fehlenden Lichtverschmutzung und der trockenen Luft ideale Bedingungen dafür.
Die Forschenden erwarten, dass im Rahmen des Projekts ein Datensatz mit rund 40 Milliarden Himmelsobjekten entstehen wird, darunter Sterne der Milchstraße, ferne Galaxien und auch Objekte unseres Sonnensystems wie etwa Asteroiden.
Unter Astronominnen und Astronomen lösen die Möglichkeiten, die das Observatorium bietet, Begeisterung aus. "Die ersten Bilder vom Vera C. Rubin Observatorium sind bahnbrechend", sagt Sebastian Grandis, Astrophysiker an der Uni Innsbruck.
In den nächsten Jahren würden dieses Teleskop und das am 1. Juli 2023 gestartete Weltraumteleskop Euclid der europäischen Weltraumorganisation ESA Milliarden an neuen Galaxien aufnehmen, so Grandis. "Damit werden wir eine genaue Karte der Struktur des Universums aufnehmen und besser verstehen, woraus es besteht."
Der geschäftsführende Direktor der US National Science Foundation, Brian Stone, erklärte bei der Vorstellung der ersten Bilder: "Durch diese bemerkenswerte wissenschaftliche Einrichtung werden wir viele Geheimnisse des Kosmos erforschen, einschließlich der Dunklen Materie und der Dunklen Energie, die das Universum durchdringen."
Die Auflösung der Aufnahmen der 3200-Megapixel-Kamera ist höchst beeindruckend. Die Max-Planck-Gesellschaft schreibt, dass für die voll aufgelöste Darstellung eines einzelnen Bildes 400 Ultra-HD-Fernseher nötig seien. Oder anders gesagt, ein Bild des Vera C. Rubin Observatoriums sei in etwa so groß, wie ein Basketballfeld, das flächig mit Ultra-HD-Fernsehern gefüllt sei. Die Kamera selber ist so groß wie ein Kleinwagen und wiegt rund 2800 Kilogramm.
Das Teleskop erfasst nicht nur eine enorme Datenmenge, sie erfasst sie auch sehr schnell. So dauert etwa die Durchmusterung des gesamten Sternbilds Orion lediglich 21 Minuten. Möglich macht das neben dem Teleskop und der Digitalkamera eine neuartige Computer-Infrastruktur. Dank der enormen Rechenleistung lassen sich jede Nacht etwa 20 Terabyte an Daten verarbeiten und dabei bis zu zehn Millionen Veränderungen der beobachteten Objekte am Himmel erfassen.
So konnten laut dem Astronomen Mario Juric von der University of Washington, dem Minor Planet Center gestern bereits die Daten für 2104 bisher unentdeckte Kleinkörper im Sonnensystem gemeldet werden. Darunter befinden sich 2015 Asteroiden im Hauptgürtel, neun transneptunische Objekte und sieben erdnahe Objekte.
Diese Entdeckungen seien aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu dem, was noch kommen wird, sagte Juric zu Geekwire.com. "Es wird Momente geben, in denen wir in einer einzigen Nacht über 20.000 Asteroiden finden werden, mehr als die gesamte Welt derzeit in einem Jahr findet", so Juric weiter.
Benannt ist das Observatorium nach der US-Astronomin Vera C. Rubin (1928 bis 2019), der als erster der Nachweis für die Existenz Dunkler Materie gelang.