Einmal gab er sich als Gemeinde-Mitarbeiterin mit dem Namen "Sarah Solinger" aus, ein anderes Mal stellte er sich als "Christine Binder" vor und forderte dann mit Originaldokumenten als Druckmittel 292.900 Euro. Sowohl die niederösterreichische Gemeinde Hagenbrunn als auch eine von der Gemeinde beauftragte Glasfirma fielen auf den raffinierten Internetbetrug herein.
Die Gemeinde bezahlte gutgläubig die vermeintliche Rechnung der Baufirma, die im Rahmen des Neubaus einer Volksschule eingelangt war. Erst als es der Betrüger ein zweites Mal versuchen wollte, und dieses Mal rund 400.000 Euro forderte, flog der Betrug auf. Gemeindevertreter waren stutzig geworden. Schnell entbrannte ein Streit darüber, wer schuld sei – "Heute" hat berichtet. Jetzt kam es zu einer außergerichtlichen Einigung.
Für Bürgermeister Michael Oberschil (ÖVP) war der Betrug zunächst ein großer Schock: "Das ist ein Wahnsinn", sagte im Frühjahr gegenüber "Heute" und, dass die Baufirma den Vorgang angestoßen hätte, indem sie eine Originalrechnung an eine "komische E-Mail-Adresse" geschickt habe, wodurch der Betrüger überhaupt erst Zugriff bekam.
Dann sei es, laut Oberschil, zu einem sogenannten "Teilbetrugsfall" gekommen: Die Internetkriminellen hätten eine fingierte Teilbetragsrechnung über 292.900 Euro im Namen der Baufirma eingereicht. Es habe eine Anfrage zur Änderung der Bankverbindung auf ein italienisches Konto gegeben – "das wirkte plausibel, da die Firma international tätig war." Die Gemeinde bezahlte.
Trotz des Rückschlags drohe Hagenbrunn kein finanzieller Kollaps, betonte Oberschil nach Bekanntwerden des Betrugs gegenüber "Heute": "Das verlorene Geld trifft uns hart. Wir werden aber nicht Konkurs anmelden müssen."
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg nahm wegen schweren Betrugs und Geldwäscherei Ermittlungen auf. Der mutmaßliche Drahtzieher soll sich damals in Italien aufgehalten haben. Ein Rechtshilfeersuchen wurde eingeleitet und die Ermittlungen auf Italien ausgeweitet.
Mittlerweile ist der Schulbau fertiggestellt. Gegenüber den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) sagte Oberschil, dass die Glasbaufirma Arbeiten und Material im Wert von rund 1,5 Millionen Euro für den Schulbau geliefert hätte. Der Schaden durch den Betrug entspreche mit 292.900 Euro lediglich rund 2 % der Gesamtbaukosten.
Mit Zustimmung des Gemeinderats in einer nicht öffentlichen Sitzung, sagt Oberschil, haben sich Gemeinde und Glasfirma auf einen außergerichtlichen Vergleich verständigt: "Die Gemeinde muss nicht den vollen Betrag an die Glasbaufirma bezahlen." Man teilt sich also den Schaden. Zu welchem Prozentsatz und wie viel der Glasbaufirma von ihren Leistungen abgegolten wird, wollte Oberschil nicht verraten.
Zurück bleibt eine angeschlagene Gemeinde. Während die Schule steht, bleibt das Vertrauen erschüttert. Nach den Schuldigen wird weiter gesucht.