Kampf gegen Smart Meter

"Tiere in Gefahr": Ärztin wurde Strom abgedreht

Seit zwei Jahren wehrt sich Elisabeth Heymann gegen den Einbau eines Smart Meters. Nun hat ihr die Netz Niederösterreich GmbH den Strom abgedreht.
Aram Ghadimi
30.04.2025, 05:15

Sanft plätschert der Michelbach durch den gleichnamigen Ort im südöstlichen Mostviertel. Die kleine niederösterreichische Marktgemeinde ist umgeben von einer idyllischen Hügellandschaft, saftigen Wiesen, Streuobstgärten und bewaldeten Höhenzügen. Hier hat Elisabeth Heymann ihre Tierarztpraxis.

Als Tierärztin, sagt die 60-Jährige, habe sie sich voll und ganz dem Wohl der Tiere verschrieben. Doch diese Tätigkeit hatte jetzt ein abruptes Ende.

Strom einfach abgedreht

"Ich wollte gerade einen Hund röntgen, als mir am Montag die Netz Niederösterreich GmbH einfach den Strom abgedreht hat", erzählt Heymann.

Der Grund: Seit zwei Jahren wehrt sie sich gegen den Einbau eines digitalen Stromzählers – eines sogenannten Smart Meters, der alle fünf Minuten ihre Daten aufzeichnet.

„Jedem künftigen Autokraten liegt hier das Besteck für eine Diktatur auf dem Tisch.“
Gottfried ForsthuberRechtsanwalt für Zivilrecht

"Ohne Strom kann ich nicht als Tierärztin arbeiten. Das gefährdet Tiere, die eine dringende Behandlung brauchen", erklärt die Veterinärmedizinerin. Ihre Praxis musste sie kurzum schließen. So einfach will sie aber nicht aufgeben: "Es gibt Grundrechte!", sagt Heymann und fragt dann: "Warum wollen die Konzerne bis in den letzten Haushalt hineinkriechen?"

Rechtsstreit kostete tausende Euros

Um zu verhindern, dass man in ihre Privatsphäre eindringt, hat Heymann einen Anwalt beauftragt, ihr Anliegen vor Gericht zu verteidigen. Tausende Euros hat sie dafür schon ausgegeben.

Am Montag eskalierte dieser Streit. Techniker verschafften sich Zugang zum Sicherungskasten und schalteten den Strom ab.

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"Frau Heymann kämpft aktuell in zwei Verfahren um ihr Recht auf Datenschutz", sagt ihr Anwalt, Gottfried Forsthuber, zu "Heute". Der Jurist aus Baden vertritt derzeit mehrere Stromkunden gegen die Netz Niederösterreich GmbH.

Anwalt: "Netzbetreiber verhöhnt Gericht"

"In einem anderen Fall sind sie sogar mit einem Kranwagen aufgefahren, um sich Zugang zum Haus zu verschaffen", sagt Forsthuber mit einiger Vehemenz in der Stimme: "Hier verhöhnt der Netzbetreiber seine Kunden und das Gericht. Indem sie den Strom abdrehen, wollen sie Fakten schaffen. Banal gesagt, soll das Recht des Stärkeren durchgesetzt werden. Das ist einfach unfassbar!"

Und Elisabeth Heymann ist überzeugt: "Zu sagen: 'Ich habe nichts zu verbergen' reicht nicht. Es gibt Rechtssysteme und Unrechtssysteme. Die Netz Niederösterreich GmbH will Daten von mir erzwingen, die ich nicht herausgeben möchte."

Datenschutz ist Grundrecht

Dann verweist Heymann auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, übernationales Recht, das seit der Jahrtausendwende das Recht auf umfassenden Datenschutz festhält. Die ersten beiden Punkte des Artikel 8 der EU-Grundrechte-Charta besagen:

"Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden."

"Heute" hat die Netz Niederösterreich GmbH mit den aktuellen Vorwürfen konfrontiert und folgende Antwort erhalten: "Tatsächlich gibt es noch einige wenige Menschen, die sich mit der neuen Technologie nicht anfreunden wollen", erklärt Unternehmenssprecher Michael Kovarik.

Netzbetreiber beruft sich auf Gesetze

Intelligenten Stromzählern gehöre die Zukunft, daran zweifele niemand mehr, gibt sich Kovarik überzeugt. Mittlerweile seien 99,99 Prozent der Zähler getauscht. Das sei in Österreich durch Gesetze vorgegeben.

"Die menschlichen Grundrechte sind dem aber übergeordnet", entgegnet Gottfried Forsthuber: "Man kämpft da aber gegen Windmühlen. Die Kunden sind in Österreich Freiwild der Unternehmen – und die fahren mit allem auf, was sie haben." Vor Gericht werde man freundlich angelächelt, bevor dann mit voller Härte zugeschlagen wird.

Abschaltung wegen "nicht-geeichtem Zähler"

Nachgefragt bei der Netz Niederösterreich GmbH, erklärt Sprecher Kovarik, dass das Unternehmen sich an gesetzliche Bestimmungen halten müsse, andernfalls würden Strafen drohen. Es mache keine Freude, wenn man den Rechtsweg beschreiten müsse. So auch im aktuellen Fall von Frau Heymann:

"Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten steht unsere Kundin nun ohne Energieliefervertrag und mit einem nicht-geeichtem Messgerät da, wodurch wir gesetzlich gezwungen waren, wie angekündigt, den Netzzugang zu trennen", sagt Sprecher Kovarik.

v.l.n.r.: Tierbesitzerin Erika Hörhan mit Hund Falco, Tierärztin Elisabeth Heymann und Janette Kolarzik von der Rechtsanwaltskanzlei Forsthuber.
privat

"Aggressive Verfolgung"

Was hier so lapidar geschildert werde, sei in der Praxis "in vielen Fällen aggressive Verfolgung", kommentiert das Heymanns Anwalt Forsthuber und gibt zu bedenken, dass die abgegriffenen Daten teuer verkauft werden können. Dabei sei vor allem der auf Bürgerinnen und Bürger ausgeübte Zwang das Schockierende.

Überall anders in Europa ginge es entspannter zu, sagt der Jurist. In Deutschland gäbe es die Wahlmöglichkeit zu digitalen Zählern ohne Datenerfassung. Das zeige, dass eigentlich keine Notwendigkeit zum Abgreifen privater Daten bestehe.

Smart bis zur letzten Gletscherhütte

"Darüber hinaus haben einige meiner Klienten nachgemessen und festgestellt, dass die Smart Meter bis zu 30 Prozent abweichen. Wenn jedoch der letzte mechanische Zähler weg ist, gibt es keine Vergleichsmöglichkeit mehr", hält Forsthuber fest: "Die Unternehmen wollen überall Smart Meter durchsetzen, bis zur letzten Hütte am Gletscher. So weit sollten wir es nicht kommen lassen."

Selbstbestimmung und Gerechtigkeit

Zurück in Michelbach: Elisabeth Heymann steht vor ihrem Haus, eine Katze im Arm. Ihr geht es um Gerechtigkeit und Sinn im Leben. Bevor sie Tierärztin wurde, habe sie geplant, Rechtswissenschaften zu studieren.

"Ich wollte mich ursprünglich einmal im Umweltrecht engagieren. Heute möchte ich selbstbestimmt mein Leben leben", sagt Heymann mit hörbarem Ernst in der Stimme: "Ich bin legal unterwegs, habe meine Überzeugung und Gleichgesinnte. Das reicht, um weiterzumachen."

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