Fake-Lebenshöfe

TikTok-Betrug: "Hilf, sonst müssen die Tiere sterben"

Auf TikTok wird mit Fakes Geld für angebliche Lebenshöfe in Not gesammelt. Dafür nutzen die Betrüger fremdes Bildmaterial, um Mitleid zu erwecken.
19.08.2025, 06:40
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Mit tränengefüllten Augen und trauriger Miene schaut ein älterer Mann in die Kamera, dann folgen Videos diverser Tierbabys wie Kälbern und Schäfchen. Darunter ruft ein Text dazu auf, den Bauernhof zu unterstützen, um die Tiere vor dem scheinbar drohenden Aus zu bewahren. "Ich verkaufe selbst gemachte Kuh-Finken online. Jede Bestellung zählt", lautet die Überschrift eines der unzähligen Videos, die teils Hunderttausende Aufrufe erhalten. Oft wird gar suggeriert, dass die Tiere sterben müssen, wenn kein Geld kommt. In der Bio findet sich dann ein Link zu einem Onlineshop, der die im Video beworbenen Produkte verkauft.

So funktioniert die Masche

Die Anteilnahme ist groß – doch weder die Bauern noch deren finanzielle Notlage ist echt: Nicht nur handelt es sich bei den beworbenen Finken um Billigware, die in Onlineshops wie Alibaba zu einem Bruchteil des Preises gekauft werden kann, für die Videos bedienen sich die Betreiber auch an Inhalten anderer Creators. So fällt auf, dass auf den unzähligen Kanälen von angeblichen Lebenshöfen immer wieder die gleichen Seniorinnen und Senioren zu sehen sind.

So bedient sich der eine deutsche TikTok-Kanal regelmäßig beim User teddog13. Während der Mann im Originalvideo vom April 2025 noch etwas verschlafen erzählt, wie er mit seinen Videos gestartet hat, wird er im Fake-Video zum traurigen Bauern. Auch diverse andere Fake-Videos finden sich im Original auf dem Profil des Amerikaners. Vor der Betrugsmasche, die sie als "umgekehrten Enkeltrick" bezeichnet, hatte zuerst die TikTokerin Svenja Rossig gewarnt.

Dabei werden immer wieder dieselben Ausschnitte von Senioren verwendet: So muss teddog13 wahlweise als Gesicht für ein Hunde-, Katzen-, Kuh- oder sogar Hai-Heim herhalten. Auch für das Videomaterial der niedlichen Tiere klauen die Betreiber bei anderen Accounts, so zum Beispiel beim Lebenshof Odenwald in Deutschland. Auf dem Hof leben über 50 Tiere – dieser finanziert sich aber mit Direkt- und Sachspenden und nicht über den Verkauf von Kuh-Finken.

So verbreitet ist der Scam

Die Betrugsmasche beschränkt sich nicht nur auf TikTok, sondern auch sämtliche andere Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube. Während die Videos und der Kanal des deutschen TikTok-Accounts mittlerweile gelöscht wurden, sind ähnliche Spendenaufrufe weiterhin auf anderen Plattformen zu finden.

Wer steckt hinter dem Betrug?

Wer die Täter sind, ist in vielen Fällen unklar – in einzelnen Fällen lassen sich die Spuren aber zurückverfolgen. So führt einer der auf TikTok verlinkten Onlineshops zu einer Firma im Bundesland Baden-Württemberg. Ob der Inhaber auch hinter den anderen irreführenden TikTok-Kanälen und damit verbundenen Onlineshops steckt, kann nicht abschließend verifiziert werden. Auf eine Anfrage von "20 Minuten" hat er nicht reagiert.

Mal fungiert der US-Amerikaner als Gesicht für ein in Not geratenes Hundeheim, ein anderes Mal kämpft er scheinbar um den Fortbestand seines Hai-Refugiums.

Das sagt der Cybersicherheit-Experte

Laut Marc Ruef, Head of Research bei der Cybersecurityfirma scip AG, wird mithilfe der niedlichen Tiere und Pseudo-Authentizität Aufmerksamkeit erregt und Likes, Käufe und Spenden werden erhascht. "Dabei setzen die Verantwortlichen auf Mitleid und Schuldgefühle. Mit der suggerierten Dringlichkeit kann eine schnelle Reaktion provoziert werden, ohne dass die Opfer über die Echtheit des Aufrufs nachdenken", sagt er gegenüber "20 Minuten".

"Es kann durchaus sein, dass spitzfindige Einzeltäter am Werk sind. Ab einem gewissen Aufwand muss man aber davon ausgehen, dass es sich um organisierte Gruppen handelt", so Ruef. Die Empfehlung des Experten: Die Videos genau unter die Lupe nehmen, und im Zweifelsfall direkt an eine etablierte Hilfsorganisation spenden.

Das sagt TikTok

Wie das Unternehmen in seinem "Safety Center" schreibt, setze man auf Usermeldungen, automatisierte Überprüfungen und auch händische Kontrollen, um Betrugsversuche auf der Plattform zu erkennen und Nutzerinnen und Nutzer davor zu schützen. 94 Prozent der als betrügerisch eingestuften Inhalte werden laut TikTok entfernt.

Zudem ist in den USA bereits ein neues Feature verfügbar, die sogenannten Footnotes. Dabei können User, ähnlich wie bei den Community Notes auf X, Rückmeldungen zum Video geben und so andere warnen. In Europa ist die Funktion derzeit noch nicht verfügbar.

{title && {title} } red,20 Minuten, {title && {title} } Akt. 19.08.2025, 07:01, 19.08.2025, 06:40
Jetzt E-Paper lesen