Ob Johannes Pietsch, alias JJ, bei seiner Matura geschummelt hat, weiß ich natürlich nicht. Bestanden hat er sie jedenfalls, sonst hätte er nicht Musik studieren und dem Land Sonntagnacht literweise Endorphin-Ausschüttungen bescheren können…
Anders ein Maturant des Francisco Josephinums in Wieselburg, NÖ. Der wurde jetzt dabei erwischt, wie er vom Handy ablas, was ihm ChatGPT, das "Playback" unserer Zeit, zu seiner Deutsch-Matura ausgespuckt hatte. Er muss im Herbst noch einmal antreten. Ich behaupte ja: Es wurde heuer dank künstlicher Intelligenz so viel geschwindelt und geschummelt wie nie zuvor. Die Schulen behaupten zwar, ihre Matura durch Deaktivieren von WLAN "KI-sicher" gemacht zu haben, stehen aber auf verlorenem Posten. Ein Lehrer sagt mir: "Wir wissen es von den Schularbeiten. Die Schüler schwindeln mit Zweithandys und Hotspot oder LAN-Kabeln." Und das lässt sich nicht unterbinden? "Mit Leibesvisitationen und zehn Lehrern in der Klasse, die kontrollieren."
Bezeichnend die "Beichte" eines Maturanten aus einem Wiener Nobelgymnasium, der mir schildert: "Die Lehrer sind chancenlos. Wir geben unsere Fake-Handys ab, das richtige haben wir in der Hosentasche oder im Schritt. Wir richten auf unseren Laptops einen Hotspot ein und gehen damit auf ChatGTP. Man muss nur warten, bis kein Lehrer herschaut. Drei Lehrer kontrollieren, aber alle 20 Minuten geht einer von uns aufs Klo und eine Lehrerin muss mitgehen, oder zwei Schüler stellen gleichzeitig Fragen, dann haben die Anderen freie Bahn. ChatGPT öffnen, Antwort kriegen und copy/paste dauert nur ein paar Minuten. Bei internetbefreiten Schul-Laptops liest man vom Handy ab. Jeder macht das. Manche Lehrer schauen weg."
Und jetzt zum Drüberstreuen ein bisschen Polemik: Allein Druck und Vertrieb der 200.000 Prüfungshefte mit mehr als vier Millionen DIN-A4-Seiten kosten die österreichischen Steuerzahler jährlich 10 Millionen Euro.
Note: Nicht gut
Wie die Faust aufs Aug passt das Ergebnis einer Umfrage der Bildungsplattform "GoStudent" an 12.000 Personen in 6 Ländern Europas. 23 Prozent der österreichischen Schüler geben zu, KI zum Schummeln bei Prüfungen zu verwenden, weitere 22 Prozent lassen ChatGPT und Co. Aufsätze für sich schreiben. Das ist der höchste Wert aller erhobenen Länder. Typisch: Österreichs Lehrer mit den im europäischen Vergleich wenigsten KI-Schulungen glauben nur zu 38 Prozent, dass künstliche Intelligenz künftig eine "grundlegende Ressource des Bildungssystems" sein wird (in England 70%). Anders unsere Eltern: Hier glauben 95 Prozent an eine Hauptrolle der KI.
Note: Nicht genügend
Glattauer gibt Noten
Niki Glattauer war 25 Jahre Lehrer und Schuldirektor in Wien. Er hat bisher 13 Bücher veröffentlicht, alle zum Thema Schule wurden Bestseller. Jeden Montag vergibt er in einer Kolumne für "Heute" Schulnoten. Mail bitte an: [email protected]
Ich sage, ob man’s mag oder (wie ich) nicht: Die KI ist gekommen, um zu bleiben – aber wir schauen hartnäckig weg und glauben, digitale Herausforderungen mit Handy- und Kopftuchverboten zu stemmen…