Vor sieben Jahren hat sich US-Präsident Donald Trump bei einer Rede vor den Vereinten Nationen selbst große Erfolge in der Wirtschaftspolitik bescheinigt und damit für Gelächter gesorgt. Heuer, bei seinem Auftritt vor der UN-Vollversammlung in New York, ist aber vielen Staats- und Regierungschefs das Lachen vergangen.
Trump hat sich genau 56 Minuten für seine Rede genommen. Dabei hat er der UNO ein Versagen bei einigen ihrer wichtigsten Aufgaben vorgeworfen.
"Die Vereinten Nationen haben ein so enormes Potenzial", sagte der 79-Jährige in seiner ersten Ansprache vor der Vollversammlung seit sechs Jahren. "Aber sie kommen nicht annähernd an dieses Potenzial heran."
Besonders als Friedensstifterin, bei der Begrenzung der Migration und in der Klimadebatte sieht Trump die UNO als gescheitert. Er behauptete erneut, seit seiner Vereidigung im Jänner sieben Kriege beendet zu haben. "Leider haben die Vereinten Nationen in all diesen Fällen nicht einmal versucht zu helfen", beklagte er. Die UNO könne nur "leere Worte, und leere Worte beenden keinen Krieg". Den Klimaschutz nannte er den "weltweit größten Betrug aller Zeiten". Außerdem warf er den Vereinten Nationen vor, eine "Invasion" von Einwanderern zu finanzieren.
Schon zu Beginn seiner Rede hat Trump kein gutes Haar an der UNO gelassen. Eine "schlechte Rolltreppe und ein schlechter Teleprompter" seien die einzigen Dinge, die er in New York bekommen habe, so seine Kritik. Wegen des defekten Teleprompters musste er seine Rede vor den UN-Vertretern und First Lady Melania vom Blatt ablesen.
Nach kurzer Zeit hat Trump aber frei gesprochen – und das mit immer mehr Schärfe. Fast eine Stunde hat er geredet, vier Mal so lang wie vom UN-Protokoll vorgesehen. "Die Stellungnahmen sollten nicht länger als 15 Minuten dauern", hatte Annalena Baerbock als Präsidentin der Vollversammlung zu Beginn noch betont. Detail am Rande: Baerbock hatte nach Trumps Rede verkünden lassen, dass die Teleprompter einwandfrei funktionieren würden.
Auch andere Regeln der Vereinten Nationen hat Trump ignoriert. So ist es eigentlich ein diplomatischer Fehler, Mitgliedstaaten namentlich anzugreifen. Doch Trump hat etwa europäischen Ländern wie Großbritannien vorgeworfen, sie würden wegen ihrer Einwanderungspolitik in Kriminalität versinken. "Es ist an der Zeit, das gescheiterte Experiment der offenen Grenzen zu beenden", forderte Trump. "Eure Länder gehen zur Hölle!"
Dies war auch gegen Österreich gerichtet, dem der US-Präsident vorwarf, dass bereits 53 Prozent illegale Migranten in den Gefägnissen säßen. Das stimme laut Experten zum Teil: Die Zahl sei richtig, aber dabei seien EU-Staatsbürger und Personen, die sich rechtmäßig in Österreich aufhielten, mitgezählt. Zudem deutete Trump an, dass es durch die Migranten auch hierzulande zu Gewalt und Vergewaltigungen käme.
Deutschland hat Trump hingegen gelobt. Unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe Deutschland den "kranken Weg" der Ampelkoalition bei der Einwanderungs- und Energiepolitik verlassen und setze wieder auf Atomenergie, sagte er – obwohl es bislang keinen Beschluss zum Wiederhochfahren deutscher Kernkraftwerke gibt. Gleichzeitig hat er Baerbock als frühere "Ampel"-Vertreterin, die hinter ihm auf dem Podest saß, brüskiert.
Für sich selbst hatte Trump – wie schon bei seinen letzten Reden vor der Vollversammlung 2018 und 2019 – nur freundliche Worte übrig. "Jeder sagt, dass ich den Friedensnobelpreis erhalten sollte", sagte der Präsident. Er bescheinigte sich außerdem erneut, die USA zum "heißesten Land" ("hottest country") der Welt gemacht und ein "goldenes Zeitalter Amerikas" eingeleitet zu haben.
Überraschend war Trumps Wutrede nicht. Schon im Zuge seiner "America First"-Politik hat er die UNO immer wieder scharf kritisiert und nach seinem Amtsantritt im Jänner die Mittel gekürzt.
Mit seiner Abkehr vom Multilateralismus stellt Trump das Erbe früherer US-Präsidenten infrage. Während des Zweiten Weltkriegs hat Franklin D. Roosevelt gemeinsam mit dem britischen Premier Winston Churchill die Grundlagen für die Gründung der UNO 1945 gelegt. Auch Woodrow Wilson gilt als Vordenker – auf seine Initiative wurde nach dem Ersten Weltkrieg der Völkerbund gegründet.
Vor Trump hat unter anderem UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen. Seine Rede klang, als hätte er die Angriffe vorhergesehen. "Rund um die Welt sehen wir Länder, die sich so verhalten, als würden die Regeln nicht für sie gelten", kritisierte der Portugiese.