Die Freundschaft mit Jeffrey Epstein holt Donald Trump ein. Der Kurswechsel seiner Regierung im Fall des verstorbenen Sexualstraftäters irritiert seine Anhänger enorm.
"Zum ersten Mal wird Trump zum Opfer einer außer Kontrolle geratenen Verschwörung, nicht zum Initiator einer solchen", so "CNN" zur Debatte, die zunehmend an Fahrt aufnimmt. "Er sieht aus wie ein Insider, der etwas vertuscht, und nicht wie der ultimative Außenseiter und Zerstörer des Deep State".
Bereits ist die Rede von einer drohenden Revolte in Trumps Maga-Lager ("Make America Great Again"). Es geht um Sex, Lügen und Verschwörungstheorien.
Seit einigen Tagen ist es amtlich: Im Fall Epstein sind weder eine belastende "Kundenliste" noch Auffälligkeiten zu Epsteins Suizid gefunden worden. Es gibt keine weiteren Informationen in dem Fall.
Damit hat die Regierung in den Augen vieler Trump-Anhänger ein Wahlversprechen gebrochen: Nämlich Licht in den Skandal um den 2019 im Gefängnis verstorbenen US-Investmentbanker zu bringen. Epstein wurde vorgeworfen, zahlreiche Mädchen und junge Frauen missbraucht und Prominenten zugeführt zu haben.
Nicht nur Trumps heutige Justizministerin Pam Bondi, auch FBI-Chef Kash Patel und Vizepräsident J.D. Vance hatten verschwörerische Spekulationen zu dem Fall befeuert: Demnach gibt es eine geheim gehaltene "Kundenliste" Epsteins mit prominenten Namen aus der Demokratischen Partei und Hollywood und der Milliardär wurde deswegen vom "Deep State" eliminiert.
Die Reaktion auf die neuste Wendung fiel im Maga-Lager heftig aus. "Das ist über alle Maßen widerlich", postete der Radiomoderator und bekannte Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Als nächstes werde das Justizministerium behaupten, Epstein habe nie existiert.
Die Rechtsaußen-Influencerin Laura Loomer, der ein großer Einfluss auf Trump nachgesagt wird, forderte die Entlassung von Justizministerin Bondi. Der Präsident solle sie "feuern, weil sie seine Basis belogen hat und eine Belastung für die Regierung ist", forderte Loomer im Onlinedienst X.
Trump-Kritiker dagegen meinen, der Präsident werde von den Geistern heimgesucht, die er selbst gerufen habe. Trump habe selbst immer wieder von einem "tiefen Staat" gemunkelt und dürfe sich nicht wundern, wenn seine Anhänger Antworten forderten.
Diese Frage treibt nicht nur im Maga-Lager viele um. Das kann nicht wundern angesichts der früheren Aussagen, Behauptungen und Forderungen der Vertreter der heutigen Trump-Administration.
"Ziehen Sie Ihre großen Hosen an und sagen Sie uns, wer die Pädophilen sind", brüllte der heutige FBI-Chef Kash Patel 2023. Die Epstein-Saga sei ein riesiger Skandal, der mit der richtigen Führung aufgedeckt werde. Heute schreibt er auf X lediglich: "Die Verschwörungstheorien sind einfach nicht wahr und waren es noch nie".
Ja, Trumps Name taucht in den freigegebenen Dokumenten zur Epstein-Affäre auf. Ein Fehlverhalten wird dem amtierenden Präsidenten allerdings nicht vorgeworfen. Dennoch sei auffällig, schreiben US-Medien, dass Trump, der schnell Akten über den 11. September 2001 und den JFK-Mord herausgegeben habe, mit einer Freigabe rund um den Epstein-Fall zögerte. Man wolle "das Leben der Menschen nicht beeinträchtigen, sollte es sich um gefälschtes Material handeln", begründete er das letztes Jahr in einem Fox-Interview.
„Wie Vertrauen in Trump haben, wenn er die Epstein-Akten nicht veröffentlicht?“Elon Musk
Manche im Maga-Lager vermuten mittlerweile, dass Trump selbst auf der mutmaßlichen "Kundenliste" stehe und die Sache deshalb unter den Teppich kehren wolle.
Auch der in Ungnade gefallene Trump-Berater Elon Musk unterstellte dies Anfang Juni. Musk liess offen, ob er Einblicke in bislang unveröffentlichte Dokumente hatte oder Dinge schlicht behauptet hatte. Auf die aktuelle Debatte im Maga-Lager reagiert der Tesla-Chef mit unverhohlener Schadenfreude: Wie könnten Menschen "Vertrauen in Trump haben, wenn er die Epstein-Akten nicht veröffentlicht?", so Musk, der den Skandal offensichtlich für den Wahlkampf und seine "Amerika-Partei" nutzen will.
Der Immobilienguru Trump und der Investmentbanker Epstein waren einst Nachbarn in Palm Beach, Florida, und Epstein zufolge gut miteinander befreundet. Nach einem Streit distanzierte sich Trump und betonte, von Epsteins Machenschaften nichts gewusst zu haben. Auch auf dessen Sex-Insel sei er nie gewesen.
Dennoch sind manch frühere Trump-Aussagen schlecht gealtert. 2002 nannte der Immobilienmogul Epstein einen "tollen Typen" und fügte an: "Er mag schöne Frauen genauso wie ich, und viele von ihnen sind auf der jüngeren Seite."
„Es wird nicht ganz einfach für Trump, die Verschwörungstheorien, die er rief, wieder loszuwerden“NZZ am Sonntag
Trump, der früher ebenfalls suggeriert hatte, dass Epstein wohl umgebracht worden sei, zeigt sich von der laufenden Debatte genervt. "Reden die Leute immer noch über diesen Typen, diesen Widerling? Das ist unglaublich", empörte er sich bei einer öffentlichen Kabinettsitzung. Die Medien sollten besser über seine Erfolge reden, etwa in der Zollpolitik, herrschte er Journalisten an.
Doch den Fall Epstein nun ad acta zu legen, ist aus Sicht der Maga-Bewegung nicht möglich. Denn, wie die "NZZ am Sonntag" schreibt: "Ihre ganze Identität beruht darauf, dass der Deep State, dass eine korrupte Elite schlimme Dinge vertuscht. Sie schäumt vor Wut. Es wird nicht ganz einfach für Trump, die Verschwörungstheorien, die er rief, wieder loszuwerden."