Eine Erfindung wendet sich gegen ihren Erfinder. US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die Jeffrey-Epstein-Akten zu öffnen. Weil er dies bislang nicht tat, wächst der Druck auch aus dem eigenen Lager immer mehr, selbst enge Vertraute wenden sich von Trump ab. Epstein, der über viele Jahre systematisch Minderjährige missbraucht hatte, beging 2019 mit 66 Jahren in seiner Gefängniszelle nach offiziellen Angaben Suizid.
Epstein war im Jahr 2019 verhaftet und dann angeklagt worden. In Teilen der US-Gesellschaft sorgte Epsteins Tod für wilde Spekulationen, weil er beste Kontakte in die amerikanische High Society hatte. Prominente und Milliardäre gingen bei ihm ein und aus – auch Trump verbrachte Zeit mit Epstein, wie mehrere Party-Videos belegen. Trump nutze den Fall aber dafür, andere – vor allem politische und wirtschaftliche Feinde – in den Fokus zu rücken.
Der US-Präsident sprach von "Kundenlisten", die er offenlegen werde, Akten, die er öffentlich machen werde, Netzwerke, die er aufdecken wolle. Auch die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, bestätigte die Liste, bevor die Erzählung komplett aus dem Ruder lief. Nachdem die Akten bisher entgegen den Versprechungen nicht geöffnet wurden und die Existenz von Kundenlisten bestritten wurde, richtete sich die Wut gegen Trump.
In seiner eigenen Anhängerschaft erblühte eine neue Theorie: Trump lösen nur deshalb sein Versprechen nicht ein, weil er selbst auf der Liste stehe. Seither versucht der US-Präsident, das Thema irgendwie vom Tisch zu wischen. Die Affäre lässt sich aber wohl nicht mehr einfangen. Das "Wall Street Journal" hatte vor Tagen einen Artikel über Trump und Epstein veröffentlicht – dagegen wehrt sich der US-Präsident beispielsweise mit einer Milliardenklage.
Die US-Zeitung hatte von einem angeblichen Glückwunschschreiben an Epstein zu dessen 50. Geburtstag im Jahr 2003 berichtet, das den Namen Trumps tragen soll. Die Zeitung stellt so eine weitere Verbindung zwischen den beiden her. In dem Brief mit schlüpfrigem Inhalt sollen mit einem Marker die Umrisse eines Frauenkörpers mit Brüsten gezeichnet worden sein – die Zeitung beruft sich auf Einblick in Dokumente.
Die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses wiederum sollen bereits am Donnerstag, nicht erst am Freitag in den Urlaub geschickt werden. Dies beschloss Speaker Mike Johnson. Der Grund: Epstein. Mit dem Schritt will Johnson verhindern, dass noch vor den Sommerferien über die Freigabe der Akten im Fall Epstein abgestimmt werden kann. Dies berichteten unter anderem die "New York Times" und weitere Medien übereinstimmend.
Die CNN indes veröffentlichte am Mittwoch Fotos von Jeffrey Epstein und Donald Trump, die bisher nicht einsehbar gewesen waren. Sie stammen aus verschiedenen Archiven. Einige der Bilder zeigen Epstein bei Trumps Hochzeit in 1993. Bisher war nicht bekannt, dass der Finanzier an dem Anlass anwesend war. Andere Aufnahmen zeigen die beiden bei einer Modeschau. "Sie wollen mich wohl vera*schen", soll Trump auf Nachfrage gebrüllt haben.
Statt zu verschwinden, kocht das Thema immer weiter hoch. Der Druck wurde sogar so groß, dass Trump die Befürworter auf Social Media als "Schwächlinge" beleidigt hatte. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er die Geister, die er rief, nicht mit neuen Geistern zu vertreiben versuchen würde. Der Präsident bezeichnete die in der eigenen Partei groß gemacht Affäre als "Hexenjagd" – der Demokraten.
Wie gefährlich Trumps Rundumschläge für die Demokratie werden können, schätzte Medienmanager Gerhard Zeiler am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf ein. "Dieser Präsident und seine Administration versucht mit sehr vielen Mitteln, die Präsidentenmacht zu expandieren. Das tut er mit Mitteln und indem er Normen und Regeln bricht wie kein anderer Präsident", so Zeiler.
Doch nicht nur das: Trump tue dies in einer so rücksichtslosen Art, die ihm nicht einmal seine schärfsten Kritiker zugetraut hätten, hieß es. Zeiler betonte ein "Aber": "Das kann er ja nicht nur von alleine." Kongress, Gerichtsbarkeit, Fed und Medien obliege es, "ab und zu einmal nein zu sagen". Deshalb habe Zeiler auch keine Sorge um die Medienfreiheit, hieß es. Zwar gebe hier und da einmal ein Medium Trump nach, der Großteil tue es aber nicht.
Zwar seien auch mächtige Medienmitarbeiter von großen Medien abgewandert, weil sie das Gefühl hätten, nicht mehr kritisch berichten zu können, bestätigte Zeiler, doch auch hier ein Aber: "Es hat sich die Berichterstattung um nichts geändert." Es werde "mit derselben Kritik und derselben Leidenschaft berichtet", so Zeiler. Und: Medien würden berichten, was berichtenswert sei, und nicht einseitig für oder gegen Trump, sonst hätte man keine Zuseher mehr.
"Den Eindruck kann man haben", so Zeiler dazu, dass Trump sich die Medien so herrichten wolle, wie es Viktor Orbán in Ungarn gemacht habe. "Den Krieg unter Anfüherungszeichen haben wir gewonnen", so Zeiler dazu, dass man sich in Ungarn mit klarer Berichterstattung gegen Korruption gestellt habe. "Es gibt für alle Institutionen, und auch gerade für die Medien, ein einfaches Nein. Und dieses einfache Nein muss man manchmal auch verwenden", so Zeiler.