Die Corona-Pandemie hat das Gesundheitssystem auf der ganzen Welt ordentlich durcheinandergebracht. Besonders schwierig ist der Umgang mit Long Covid. Das Problem: In Europa gibt es unterschiedliche Definitionen und Diagnose-Kriterien. Dadurch wird es für Ärzte oft schwer, Long Covid zu erkennen und richtig zu behandeln. Fachleute aus 34 Ländern haben sich jetzt im "European Journal of General Practice" zu Wort gemeldet und auf diese Missstände hingewiesen.
Gerade die Hausärzte sind in jedem Land besonders wichtig, wenn es darum geht, Menschen nach einer Corona-Erkrankung weiter zu betreuen. Viele kämpfen nämlich noch Wochen oder Monate später mit verschiedensten Beschwerden. Um herauszufinden, wie Long Covid in den einzelnen Ländern überhaupt definiert wird, haben Forscherinnen und Forscher – darunter auch Kathryn Hoffmann von der MedUni Wien – einen Online-Fragebogen ausgewertet.
Das Ergebnis: "Am häufigsten wurde jeweils eine 'andere' Definition verwendet (50 %), gefolgt von der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO: 47 %) und der Definition der CDC (US-Zentren für Krankheitskontrolle; 32,3 %). Die Hälfte der Länder gab an, mehrere Kategorisierungen gleichzeitig zu benutzen, was auf einen Mangel an Standardisierung hindeutet." Insgesamt wurden neun verschiedene internationale Definitionen von Long Covid gezählt.
Schaut man sich die Definitionen für Long Covid in Europa an, zeigt sich laut den Autoren der Studie ein echter "Fleckerlteppich":
Ein Beispiel: Das britische NICE-Gremium (National Institute for Health and Care Excellence) beschreibt das sogenannte "Long (Post) Covid-Syndrom" so: "Krankheitszeichen und Symptome, die während oder nach einer Covid-19-Infektion auftreten, mehr als zwölf Wochen anhalten und nicht durch andere Diagnosen erklärt werden."
Die US-Behörde CDC sagt: "Eine große Bandbreite an neuen, wieder auftretenden oder anhaltenden Gesundheitsproblemen, die vier Wochen oder länger nach einer Covid-19-Infektion andauern (Post-Covid-Folgen/Long Covid)."
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wiederum spricht von "Anhalten oder Entwickeln von neuen Symptomen über drei Monate nach einer anfänglichen SARS-CoV-2-Infektion mit einer Dauer von zumindest zwei Monaten und keiner anderen Erklärung." Auch hier wird betont, dass andere Ursachen ausgeschlossen werden müssen.
Das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) beschreibt Long Covid als "eine extrem große Bandbreite an physischen und psychologischen Symptomen, die von Betroffenen zumindest zwölf Wochen lang nach einer Covid-19-Infektion berichtet werden."
In Österreich werden zum Beispiel die WHO-, die CDC- und die britische NICE-Definition sowie "andere" Definitionen verwendet. Die CDC-Definition kommt unter anderem in Frankreich, den Benelux-Staaten, Deutschland, Tschechien und Ungarn zum Einsatz – aber nie ausschließlich. Die WHO-Definition wird teilweise in Portugal, Spanien, Irland, Polen, im Baltikum oder Finnland genutzt.
Das führt dazu, dass es überall andere Diagnose-Kriterien, Therapieansätze und Einteilungen gibt. Das macht nicht nur die Behandlung für die Betroffenen schwieriger, sondern bremst auch die Forschung aus. Ohne einheitliche Grundlagen fehlt eine gemeinsame Basis, um Therapien vergleichen und bewerten zu können.
Die Fachleute fordern deshalb dringend einen internationalen Konsens. "Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer einheitlichen und dennoch ausreichend flexiblen Definition von Long Covid. Eine solche Definition würde Allgemeinmediziner unterstützen, indem sie Diagnoseprozesse vereinfacht, die Kontinuität der Versorgung verbessert und einen gleichberechtigten Patientenzugang zu multidisziplinären Ressourcen ermöglicht."
Solange es keine einheitlichen Regeln gibt, bleibt die Versorgung der Patienten, die Erhebung von Daten und die Verteilung von Ressourcen schwierig. Auch die Politik tut sich schwer, richtig zu reagieren. Erst wenn es klare und überall gültige Kriterien gibt, können Menschen mit Long Covid auf eine gerechte und wirksame medizinische Betreuung hoffen.