Es ist ein recht unscheinbarer Entschied, den der Verfassungsgerichtshof am Freitag getroffen hat. Im Grunde besagt er nur, dass eine bestimmte Vorschrift des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) nicht verfassungswidrig ist. In den Berichten darüber liest sich daraufhin lediglich, dass auch Wertsicherungsklauseln bei Mietverträgen ungültig sein können.
Doch kämpft man sich durch die ganzen 42 Seiten des Erkenntnisses, entsteht ein weitaus brisanterer Eindruck, der im Gespräch mit Juristen auch bestätigt wird. Sämtliche Mieterhöhungen der letzten 30 Jahre von Hunderttausenden Betroffenen könnten jetzt ungültig sein. Die rechtliche Lage (und Praxis) ist aber – wie sollte es anders sein – kompliziert. "Heute" hat Juristen befragt und sich die Sache genauer angeschaut.
Um die Tragweite der Entscheidung zu verstehen, ist etwas Hintergrund notwendig. Seinen Ausgang nimmt der Streit in einer Bestimmung im KSchG. Demnach sind solche Klauseln nicht verbindlich, in denen sich ein Unternehmer innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsschließung ein höheres als das vereinbarte Entgelt zusichert (sofern nicht einzeln ausverhandelt).
Das soll in der Regel schlecht informierte Verbraucher vor gewieften Unternehmern schützen. Ursprünglich ging es dabei um "Zielschuldverhältnisse", also etwa die Lieferung einer Küche. Die Rechtsprechung wandte besagte Klausel in Folge auch auf Dauerschuldverhältnisse an, etwa einen Auto-Leasingvertrag. Als Folge fielen in Urteilen 2023 auch Bestandsverträge wie Mietverträge darunter.
Das Problem: Bei Mietverträgen sind Wertsicherungsklauseln völlig üblich und sachgerecht. Andernfalls würde die Miete mit der Inflation über Jahrzehnte real immer billiger werden, obwohl der Vermieter steigende Ausgaben für seine Leistung, insbesondere die Instandhaltung, hat. Der OGH wandte die KSchG-Klausel aber eben auch auf solche Wertsicherungsklauseln an.
Diese Rechtsprechung gilt auch rückwirkend auf alte Formularverträge und AGB, wie ein Spitzenjurist gegenüber "Heute" bestätigt. Solch ein 2-Monats-Hinweis sei aktuell praktisch in keinem Vertrag enthalten. Die Zahl der Betroffenen ist deswegen enorm und dürfte in die Hunderttausenden gehen.
Was noch hinzukommt: Für Vermieter ist es äußert schwierig, sich von Verträgen zu lösen. Eine einseitige Kündigung ist nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich. Selbst wenn der Mieter stirbt, können nach dem strengen Mietrechtsgesetz nahestehende Personen in den Vertrag noch eintreten.
Der Vermieter bleibt also viele Jahrzehnte an einen Vertrag gebunden, erhält dafür real immer weniger an Entgelt, muss seine Leistung aber weiter voll erbringen und dafür stetig mehr zahlen. "Für den Mieter verhält es sich hingegen genau umgekehrt, denn für ihn wird der Vertrag im gleichen Ausmaß immer günstiger", so der Rechts-Experte.
Wer einen gewerblichen Vermieter hat (keine Privatperson) ist also in der Regel davon betroffen. Liegen die oben aufgelisteten Voraussetzungen vor, waren die Mieterhöhungen der letzten Jahre ungültig. Der Immo-Branche stehen auch keine Instanzen mehr offen.
Trotzdem gibt es ein großes Aber. Die Rechtsprechung des OGH ist nun zwar gesichert – kann sich aber natürlich wieder ändern. Erwartbar wäre das etwa allein deshalb, weil erst jetzt die dramatischen Konsequenzen daraus sichtbar werden.
Nichtsdestotrotz leiten sich aus den Urteilen Rückzahlungen ab. "Ausjudiziert ist nur noch nicht, ob diese Rückforderungsansprüche der Mieter nach drei Jahren oder gar erst nach 30 Jahren verjähren."
Ob es wirklich dazu kommt, ist aktuell noch schwer abzuschätzen. Das letzte Wort dürfte definitiv noch nicht gesprochen sein.