Es klingt wie eine Kampfansage an alle Autofahrer: Mehr als die Hälfte der Wienerinnen und Wiener ist bereit, Parkplätze zu opfern – für mehr Stadtgrün. Das zeigt eine neue Studie der BOKU Wien, die das Potenzial für Zündstoff in sich trägt. Denn neben der Parkplatznot droht jetzt auch noch der Klimawandel zur Flächenfrage zu werden.
Laut der Umfrage wären 65 Prozent bereit, bis zu 45 Euro pro Jahr als Kommunalabgabe zu zahlen, wenn dadurch neue Grünflächen entstehen, die die Luft verbessern und die Stadt kühlen. Und: Viele würden sogar längere Wege zur eigenen Wohnung in Kauf nehmen – bis zu zehn Minuten zusätzlich. Für Menschen, die jeden Tag ihr Auto vor der Haustür suchen, ein regelrechter Albtraum.
Die Studie macht deutlich: Stadtbewohner haben zunehmend genug von Beton, Hitze und Blechlawinen. Immer mehr wünschen sich grüne Rückzugsorte – auch mitten im dicht verbauten Stadtraum. Weil es an Platz fehlt, sollen dafür nun immer öfter Straßen und Parkflächen umgewandelt werden.
"Während die Politik oft vor Umnutzung zurückschreckt, ist die Stadtbevölkerung beim Thema Grünflächen und Klimawandelanpassung längst weiter", erklärt Ulrike Pröbstl-Haider vom Institut für Landschaftsentwicklung an der BOKU. Ihre Erkenntnis: Viele Menschen sind bereit, Gewohntes aufzugeben, wenn sie den Vorteil klar spüren.
Im Rahmen der Studie wurden vier Gruppen identifiziert, die ganz unterschiedlich auf das Thema reagieren. Die "Umweltsensiblen" leben oft im Eigenheim, interessieren sich stark für Klimathemen und würden am meisten zahlen, wenn sie echte Verbesserungen wie kühlere Temperaturen bekommen.
Die "Gestaltungssensiblen" legen Wert auf schöne Plätze, Bepflanzung und Gemeinschaftsgärten. Sie wohnen meist in dicht bebauten Gegenden, sind oft Frauen mit Kindern – und erstaunlich wenig preissensibel. Auch sie wären bereit, Parkplätze zu opfern, wenn der Platz sinnvoll begrünt wird.
Anders ticken die "Kostensensiblen". Meist ältere Menschen mit geringem Einkommen, die wenig Interesse an neuen Grünflächen zeigen und auch kaum bereit wären, dafür zu zahlen. Der Klimawandel spielt für sie eine untergeordnete Rolle.
Und dann gibt es die "Erreichbarkeitssensiblen": Ihnen ist zwar bewusst, wie wichtig mehr Grün ist – doch wehe, sie müssen auf ihr Auto verzichten. Für diese Gruppe ist ein Parkplatz in Wohnnähe fast wichtiger als ein Baum vor dem Fenster. Sie wollen beides – und das wird in der Stadtplanung zunehmend zur Herausforderung.
Gefragt nach den beliebtesten Ideen für neue Grünflächen, zeigten die meisten Befragten klare Vorlieben: Begrünte Straßenräume – also dort, wo früher Autos parkten – sind der klare Favorit. Auch Grünzüge und Regenrückhalteflächen kommen gut an.
Gemeinschaftsgärten hingegen finden nur bei wenigen Anklang – vor allem die Gestaltungssensiblen (Gruppe 2) sprechen sich dafür aus. Und: Themen wie Biodiversität oder Bürgerbeteiligung spielen bei der Entscheidung kaum eine Rolle. Die Menschen wollen konkrete Verbesserungen im Alltag – keine ökologischen Fachbegriffe.
"Die Bereitschaft zur Veränderung ist da – sie wird nur oft unterschätzt", sagt Studienautorin Pröbstl-Haider. Stadtbewohner hätten längst erkannt, dass Betonwüsten im Sommer zur Belastung werden. Wer will schon im eigenen Grätzl schwitzen, während in anderen Vierteln Bäume Schatten spenden?
Für die Politik bedeutet das: Jetzt braucht es mutige Entscheidungen. Wer Parkplätze streichen will, muss liefern – mit sichtbar mehr Lebensqualität. Denn nur dann ist die Bevölkerung auch bereit, mitzugehen.
Egal ob Alsergrund, Neubau oder Ottakring – der Umbau der Stadt ist längst Realität. Die neue Studie zeigt deutlich: Eine wachsende Mehrheit ist bereit, fürs Klima Platz zu machen – selbst auf Kosten des eigenen Komforts.
Doch genau das könnte in den kommenden Jahren noch für viel Ärger sorgen. Denn wo das Auto verschwindet, beginnt oft der Protest. Die große Frage bleibt: Wird Wien zur grünen Vorzeigestadt – oder zum Schlachtfeld im Kampf ums letzte Stück Asphalt?