Vor kurzem sorgte eine brisante Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) für Aufsehen – "Heute" berichtete mehrfach: Der VfGH hat bestimmte Wertsicherungsklauseln (Inflationsanpassung) in Verträgen zwischen gewerblichen Vermietern und privaten Mietern für nichtig erklärt. Wenn im Mietvertrag nicht dezidiert ausgeschlossen wird, dass in den ersten zwei Monaten eine Erhöhung möglich ist, dann ist die ganze Wertsicherungsklausel ungültig.
Auch Wiener Andreas T. (Name geändert) war bzw. ist von dieser Klausel betroffen. Vor rund sieben Jahren suchte er eine Wohnung in der Bundeshauptstadt: "Ich bin mit meiner Freundin – mittlerweile ist sie meine Ehefrau – zusammengezogen, und wir wollten eine neue gemeinsame Wohnung", erzählt der Unternehmer (40) im "Heute"-Gespräch.
Auf einer Online-Immobilienplattform wurde er schließlich fündig: Direkt an einer Hauptverkehrsstraße in Döbling entdeckte er eine rund 103 Quadratmeter große Wohnung mit Freifläche. Auch die monatliche Bruttomiete in der Höhe von rund 1.400 Euro (netto 1.284,21 Euro) war für Andreas T. völlig in Ordnung.
Beginnend mit 1. September 2018 wurde daher ein Mietvertrag auf zehn Jahre befristet (bis 31. August 2028) abgeschlossen: "Nachdem ich die Zusage vom Vermieter erhalten habe, hat uns der Makler das Vertragsformblatt übermittelt. Nachdem meine Frau und ich sehr viel Zeit investiert hatten, um eine passende Wohnung zu finden, wollten wir aufgrund der hohen Nachfrage nicht umständlich sein und riskieren, die Wohnung zu verlieren. Daher haben wir das Formblatt ohne rechtliche Prüfung durch einen Anwalt unterzeichnet", erklärt der 40-Jährige.
Doch aufgrund einer im Vertrag enthaltenen Wertsicherungsklausel wurde bereits mit 1. Februar 2021 die Netto-Miete von 1.284,21 Euro auf 1.325,30 Euro erhöht – und das ging laufend so weiter. Zuletzt verlangte der Vermieter mit 1. August 2024 schon 1.633,63 Euro. Im Endeffekt also eine Steigerung der Grund-Nettomiete um 349,42 Euro bzw. rund 27 Prozent!
Obwohl die Mietkosten immer weiter anstiegen, beglich der 40-Jährige diese: "Ich habe die Miete immer wie vorgeschrieben bezahlt, ansonsten riskiert man gekündigt zu werden", erklärt Andreas T. In Immobilien-Medien wurde der Unternehmer schließlich auf das Thema Wertsicherungsklausel aufmerksam.
„Ich wollte rechtliche Klarheit, Gerechtigkeit und Fairness“Andreas T.reichte Klage gegen seinen Vermieter ein
Im Zuge von weiteren Recherchen stieß der Wiener auf den Verbraucherschutzverein (VSV): "Nachdem man sich dort bereits intensiv mit dem Thema befasst hatte, habe ich mich entschlossen, meinen Mietvertrag überprüfen zu lassen. Ich wollte rechtliche Klarheit, Gerechtigkeit und Fairness", erzählt der 40-Jährige.
Dem Vermieter wurde eine außergerichtliche Einigung angeboten – doch diese scheiterte: "Nachdem keine Gesprächsbereitschaft seitens des Vermieters gegeben war, habe ich mich entschlossen, den Rückforderungsanspruch gerichtlich geltend zu machen", meint Andreas T.
Mithilfe des VSV klagte der Wiener – und das Bezirksgericht Döbling gab ihm recht. Die Wertsicherungsklausel hätte dem Vermieter erlaubt, die Miete bereits zwei Monate nach Beginn des Mietverhältnisses zu erhöhen (auch wenn er das in der Praxis nicht getan hat). Damit verstößt sie gegen das Konsumentenschutz-Gesetz.
"Dieser Umstand führt zur Nichtigkeit der gesamten Wertsicherungsvereinbarung, sodass sich eine Prüfung der Transparenz der Klausel erübrigt", heißt es im Urteil des Bezirksgerichtes. Andreas T. fühlt sich nun erleichtert: "So ein Verfahren ist doch mit einem großen emotionalen Einsatz verbunden und man zweifelt zwischendurch am Ausgang", zieht der 40-Jährige Bilanz.
„Das Urteil folgt unserer Rechtsansicht, dass die Erhöhungen der letzten 30 Jahre rückerstattet werden müssen“Daniela Holzinger-VogtenhuberObfrau Verbraucherschutzverein (VSV)
Ausgestanden ist die Sache allerdings noch nicht: Denn der Vermieter hat Rechtsmittel ergriffen, die Causa liegt derzeit beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien. Wird das Urteil bestätigt (bzw. geht es nicht in weitere Instanzen), dann erhält Andreas T. 9.853,23 Euro zurück und muss künftig nur die Miete bezahlen, die im Mietvertrag vereinbart wurde.
VSV-Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber hofft auf einen positiven Ausgang: "Das Urteil des Bezirksgerichtes folgt unserer Rechtsansicht, dass die Erhöhungen der letzten 30 Jahre rückerstattet werden müssen. Besonders freut uns auch, dass Vermieter:innen nicht durch eine dreijährige Verjährungsfrist vor der Rückzahlung aller Erhöhungen geschützt sind."
Die rechtliche Situation ist allerdings im Moment unklar: Denn trotz der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes urteilte der Oberste Gerichtshof (OGH) vor kurzem, dass derartige Wertsicherungsklauseln sehr wohl gelten. Die Ausnahme seien nur Verträge, die der Unternehmer binnen zwei Monaten zu erfüllen habe – und das sei bei einem Mietverhältnis (Dauerschuldverhältnis) nicht der Fall.
"Die jüngste Entscheidung des OGH ist eine radikale Abkehr von einer Vielzahl früherer Entscheidungen des OGH zu verschiedenen Dauerschuldverhältnissen. Die Judikatur des OGH ist also nunmehr uneinheitlich und erfordert eine Letztentscheidung durch einen verstärkten Senat", meint Holzinger-Vogtenhuber dazu.
Der VSV organisiert daher auch weiterhin eine Sammelaktion, in der unrechtmäßige Mieterhöhungen zurückgefordert werden können: "Der VSV wird weiter für Rückforderungen von überhöhten Mieten kämpfen, Klauseln auf Klagbarkeit prüfen und – bei Deckung der Prozesskosten – einklagen", so Holzinger-Vogtenhuber.