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Werden Stablecoins die nächste Finanzkrise auslösen?

Sind Stablecoins eine Gefahr oder ein Segen für unser Finanzsystem? Ein Kryptoprofi äußert sich im Interview.
28.07.2025, 22:13
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Stablecoins liegen im Trend: Paypal und Visa nutzen sie täglich, Private verwenden sie als Inflationsschutz – und große Finanzdienstleister wie J.P. Morgan und die Bank of America warnen vor ihnen. Oft liest man auch, dass Stablecoins die nächste große Finanzkrise auslösen könnten.

Was sind Stablecoins?

Stablecoins sind Kryptowährungen, deren Wert 1:1 an traditionelle Währungen gebunden ist, etwa an den US-Dollar oder den Euro. Einige sind auch mit Gold oder anderen Vermögenswerten hinterlegt.

Was steckt hinter den Stablecoins? Sind sie wirklich eine Bedrohung für unser Wirtschaftssystem? Adrian Fritz, Global Head of Research beim Schweizer Fintech-Unternehmen 21Shares, nimmt auf Anfrage von "20 Minuten" Stellung.

"Fehlende Transparenz, fragwürdige Reserven und mangelnde Aufsicht sind gefährlich"

Herr Fritz, Stablecoins sind meistens an traditionelle Währungen gekoppelt. Widerspricht das nicht dem ursprünglichen Gedanken von Kryptowährungen, sich von den Währungen loszulösen?

Adrian Fritz: Der ursprüngliche Gedanke vieler Kryptowährungen war in der Tat, ein geldpolitisch unabhängiges, zensurresistentes System zu schaffen, so wie Bitcoin. Doch Krypto und Blockchain stehen nicht nur für eine neue Währung, sondern für eine Internet-native Finanzinfrastruktur. Es geht um die Art und Weise, wie wir Werte übertragen, speichern und austauschen.

Im Alltag spürt man von Stablecoins wenig. Was haben sie verändert?

Sie ermöglichen sofortige Transaktionen über die Blockchain, ohne Zwischenhändler. Gleichzeitig entstehen auf dieser Infrastruktur neue Anwendungen: dezentrale Finanzmärkte, tokenisierte Vermögenswerte, digitale Identitäten oder neue Formen von Eigentum und Organisation. Stablecoins stehen darum nicht im Gegensatz zum Krypto-Gedanken, sondern bringen ihn in die Praxis – pragmatisch und alltagstauglich.

Gibt es auch Stablecoins, die mit Schweizer Franken gedeckt sind?

Ja, zum Beispiel den Centi Franc (CCHF), Sygnum (DCHF) und den Frankencoin (ZCHF). Sie sind aber eher klein im Volumen und in der Nutzung.

Stellungnahme von Sygnum

Sygnum legt Wert auf eine Präzisierung: Sygnums DCHF sei "ein Settlement-Token, kein herkömmlicher Stablecoin. Er ist speziell für eine effiziente On-Chain-Abwicklung innerhalb eines regulierten Rahmens konzipiert und sollte nicht zusammen mit Stablecoins für den Einzelhandel kategorisiert werden".

Warum? Sonst ist der Schweizer Franken doch gefragt.

Die strenge Regulierung erschwert den Markteintritt, der Franken ist ein kleiner Währungsraum, und der Markt ist fragmentiert. Hinzu kommt, dass die Schweizerische Nationalbank derzeit eher eine Wholesale-CBDC (eine digitale Zentralbankwährung für Banken und Finanzinstitutionen) vorantreibt, anstatt die Innovation privater Stablecoins für den breiten Zahlungsverkehr aktiv zu fördern, wie es in den USA teilweise der Fall ist.

Auch Firmen wie Paypal, Visa und Stripe nutzen Stablecoins. Wofür?

Hauptsächlich für effizientere Zahlungsabwicklungen, etwa für internationale Transaktionen. Stablecoins ermöglichen blitzschnelle, kostengünstige Überweisungen rund um die Uhr — auch am Wochenende, ohne auf klassische Korrespondenzbanken angewiesen zu sein.

Was bringen die Stablecoins den Zahlungsdienstleistern?

Geringere Abwicklungskosten, kürzere Settlement-Zeiten und mehr Transparenz. Visa testet Transaktionen mit USDC, Stripe bietet Stablecoin-Zahlungen für Freelancer. Paypal hat mit PYUSD gar einen eigenen Stablecoin, um Teile seiner Infrastruktur auf die Blockchain zu verlagern. Hier geht es nicht um Krypto als Spekulationsobjekt, sondern um die Blockchain als neue Zahlungsinfrastruktur.

J.P. Morgan, Citigroup und Bank of America haben vor Stablecoins gewarnt. Haben Sie Angst, dass die Coins ihr Geschäft bedrohen?

Das ist nicht unbegründet. Stablecoins und sogenannte Defi-Plattformen, die im dezentralen Finanzwesen Anwendung finden, haben gezeigt, dass man bestimmte Bankdienstleistungen auch ohne zentrale Intermediäre abbilden kann. Das ist disruptiv. Institute wie J.P. Morgan, Citi und Bank of America haben sich in der Vergangenheit zwar skeptisch zu Stablecoins geäußert, doch vieles deutet darauf hin, dass sie vor allem auf regulatorische Klarheit gewartet haben, bevor sie selbst aktiv werden.

Donald Trump und das US-Parlament haben im Juli neue Kryptogesetze verabschiedet und so Klarheit geschaffen, richtig?

Ja, mit dem "Genius Act", der einen verbindlichen Rahmen für Stablecoin-Emittenten in den USA schafft. Er erlaubt es Banken und bestimmten Firmen, eigene Stablecoins herauszugeben. Vorausgesetzt, sie erfüllen strenge Anforderungen: vollständige Deckung durch US-Dollar oder Staatsanleihen, regelmäßige Offenlegungspflichten und transparente Strukturen. Jetzt ist der Weg frei für Finanzinstitute, Stablecoins nicht nur zu tolerieren, sondern aktiv mitzugestalten.

Zuletzt hört man oft, dass Stablecoins die nächste Finanzkrise auslösen könnten, etwa wegen Unterdeckung. Was sagen Sie dazu?

Diese Sorge ist grundsätzlich berechtigt, sie trifft aber nicht auf alle Stablecoins zu. Wie bei klassischen Finanzprodukten kommt es auf die Ausgestaltung an. Der Fall von TerraUSD hat gezeigt, welche Risiken von algorithmischen oder schlecht gesicherten Stablecoins ausgehen können.

Wann sind Stablecoins ein Risiko?

Fehlende Transparenz, fragwürdige Reservekonzepte und mangelnde Aufsicht sind gefährlich, insbesondere, wenn Stablecoins eine bedeutende Rolle im globalen Zahlungsverkehr einnehmen. Aber statt alle Stablecoins pauschal als Risiko zu betrachten, lohnt sich eine differenzierte Sicht.

Die Herausgeber von Stablecoins halten einen Großteil ihrer Dollarreserven bei Banken. Steigt so nicht die Gefahr, dass es bei einem Vertrauensverlust zu einem Bankrun kommt?

Ja, das Risiko eines Bankrun besteht grundsätzlich, wie bei jedem System, das auf Vertrauen in gedeckte Reserven basiert. Genau deshalb gewinnt die Diskussion um Regulierungsstandards an Bedeutung. Seriöse Emittenten wie Circle (USDC) halten ihre Reserven fast ausschließlich in kurzfristigen US-Staatsanleihen und Cash bei systemisch weniger riskanten Banken. Gleichzeitig setzen viele auf tägliche Transparenzberichte und externe Audits. Die Systemfrage ist also nicht, ob Stablecoins sicher sind, sondern wie sie ausgestaltet und reguliert werden.

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