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Wie uns Haie von Corona heilen könnten

VNAR 3B4, ein antikörperähnliches Protein aus dem Immunsystem von Haien, verhindert, dass SARS-CoV-2 menschliche Zellen infiziert.

Sabine Primes
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Die Meeresräuber könnten der Menschheit in der Pandemiebekämpfung behilflich sein. 
Die Meeresräuber könnten der Menschheit in der Pandemiebekämpfung behilflich sein. 
Getty Images/iStockphoto

Kleine, einzigartige antikörperähnliche Proteine, so genannte VNARs, die aus dem Immunsystem von Haien stammen, können das SARS CoV-2-Virus daran hindern, menschliche Zellen zu infizieren, Das fand ein Team der University of Wisconsin-Madison heraus. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Team in Nature Communications.

Der Sprung von Tier auf Mensch

Bis die Hai-Proteine tatsächlich in einem Medikament verwendet werden können, wird es laut den Wissenschaftlern jedoch noch länger dauern, aber sie können helfen, sich auf zukünftige Ausbrüche des Coronavirus vorzubereiten. Die Hai-VNARs konnten WIV1-CoV neutralisieren - ein Coronavirus, das menschliche Zellen infizieren kann, aber derzeit nur in Fledermäusen zirkuliert. Die frühzeitige Entwicklung von Behandlungen für solche durch Tiere übertragenen Viren kann sich als nützlich erweisen, wenn diese Viren den Sprung auf den Menschen schaffen.

"Das große Problem ist, dass es eine Reihe von Coronaviren gibt, die beim Menschen auftreten werden“, sagt Studienleiter Aaron LeBeau. "Wir bereiten ein Arsenal an Hai-VNAR-Therapeutika vor, die für zukünftige SARS-Ausbrüche eingesetzt werden könnten. Es ist eine Art Versicherung gegen die Zukunft."

Klein und clever

Die Hai-VNARs sind nur ein Zehntel so groß wie menschliche Antikörper und können auf einzigartige Weise an infektiöse Proteine binden, was ihre Fähigkeit, die Infektion zu stoppen, verstärkt. "Diese kleinen antikörperähnlichen Proteine können in Ecken und Winkel vordringen, zu denen menschliche Antikörper keinen Zugang haben", sagt LeBeau. "Sie können diese ganz besonderen Geometrien bilden. Dadurch können sie Strukturen in Proteinen erkennen, die unsere menschlichen Antikörper nicht erkennen können."

Die Forscher testeten die Hai-VNARs sowohl gegen infektiöses SARS-CoV-2 als auch gegen einen "Pseudotyp", eine Version des Virus, die sich nicht in Zellen vermehren kann. Aus einem Pool von Milliarden von VNARs identifizierten sie drei Kandidaten, die das Virus wirksam daran hinderten, menschliche Zellen zu infizieren: 3B4, 2C02 und 4C10. 

Drei Favoriten

Ein VNAR mit dem Namen 3B4 haftete stark an einer Rille auf dem viralen Spike-Protein in der Nähe der Stelle, an der das Virus an menschliche Zellen bindet, und scheint diesen Bindungsprozess zu blockieren. Diese Furche ist bei genetisch unterschiedlichen Coronaviren sehr ähnlich, so dass 3B4 sogar das MERS-Virus, einen entfernten Cousin der SARS-Viren, wirksam neutralisieren kann.

Die Fähigkeit, solche konservierten Regionen bei verschiedenen Coronaviren zu binden, macht 3B4 zu einem attraktiven Kandidaten für die Bekämpfung von Viren, die noch keine Menschen infiziert haben. Die 3B4-Bindungsstelle ist auch bei markanten Varianten von SARS-CoV-2, wie der Delta-Variante, nicht verändert. Diese Forschung wurde durchgeführt, bevor die Omikron-Variante entdeckt wurde, aber erste Modelle deuten darauf hin, dass das VNAR auch gegen diese neue Version wirksam wäre, sagt LeBeau.

Das zweitstärkste Hai-VNAR, 2C02, scheint das Spike-Protein in eine inaktive Form zu bringen. Allerdings ist die Bindungsstelle dieses VNARs bei einigen SARS-CoV-2-Varianten verändert, was seine Wirksamkeit wahrscheinlich verringert.

Medikamente der Zukunft

Künftige Therapien könnten wahrscheinlich einen Cocktail aus mehreren Hai-VNARs enthalten, um ihre Wirksamkeit gegen verschiedene und mutierende Viren zu maximieren. Diese neue Klasse von Medikamenten ist billiger und einfacher herzustellen als menschliche Antikörper und kann auf verschiedenen Wegen in den Körper eingebracht werden, muss aber noch am Menschen getestet werden.

Impfstoffe bilden die Grundlage für den Schutz gegen SARS-CoV-2 und künftige Coronaviren. Manche Menschen, etwa solche mit geschwächtem Immunsystem, sprechen jedoch nicht so gut auf die Impfung an und können von anderen Behandlungen wie mit Antikörpern profitieren - was die Entwicklung dieser Behandlungen zu einer ständigen Priorität macht.