In vielen europäischen Metropolen fehlt es an leistbarem Wohnraum – doch in Wien zeigt sich ein anderes Bild: Rund zwei Drittel der Bevölkerung leben hier in geförderten oder städtischen Wohnungen. Dieses Erfolgsmodell hat nun auch das Interesse der EU geweckt. Eine Delegation des Europäischen Parlaments reiste in die Bundeshauptstadt, um sich vor Ort über die Wiener Wohnpolitik zu informieren.
Das "Wiener Modell" sei von vielen als Vorbild genannt worden, sagte die Sonderausschuss-Vorsitzende Irene Tinagli am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Wien verfügt über mehr als 220.000 Gemeindewohnungen, dazu kommen hunderttausende Genossenschaftswohnungen sowie zahlreiche Altbauwohnungen mit regulierten Mieten.
Laut Fachleuten tragen diese Wohnformen dazu bei, die Preise auf dem freien Markt zu bremsen. Dennoch betonte Tinagli, der Wiener Wohnungsmarkt sei "schwierig zu imitieren" – viele Rahmenbedingungen seien einzigartig. Andere Städte könnten sich jedoch von den wohnbaurechtlichen Vorgaben und den "Best Practice"-Beispielen Wiens inspirieren lassen. In den Gesprächen wurden allerdings auch Herausforderungen angesprochen: steigende Baukosten und knapper werdendes Bauland.
Zu den Stationen der Delegation gehörten am Montag Treffen mit Vizekanzler und Wohnbauminister Andreas Babler sowie Wiens Vizebürgermeisterin und Wohnstadträtin Kathrin Gaál (beide SPÖ). Außerdem wurde das Nordbahnviertel besichtigt. Am Dienstag folgten Gespräche mit dem parlamentarischen Bauten- und Wohnausschuss, bevor die Gruppe die Seestadt Aspern im 22. Bezirk und den historischen Karl-Marx-Hof in Döbling besuchte – ein berühmtes Beispiel des kommunalen Wohnbaus aus den 1920er-Jahren.
Die Wohnraumkrise ist in vielen EU-Staaten seit Jahren ein drängendes Thema. Zwischen 2015 und 2023 kletterten laut Eurostat die Hauspreise in der EU um durchschnittlich 47 Prozent, in Österreich sogar um 63,9 Prozent. Gründe dafür sind unter anderem steigende Baukosten, höhere Hypothekenzinsen, eine rückläufige Bautätigkeit sowie der Trend, Immobilien als Geldanlage zu nutzen.
Auch die Mieten zogen stark an: Zwischen 2010 und 2022 stiegen sie EU-weit um 18 Prozent. Ein Faktor ist die Zunahme von Kurzzeitvermietungen, durch die Wohnungen dem regulären Markt entzogen werden. "Die Wohnraumkrise sei ein sehr komplexes Problem", betonte Tinagli. "Es gibt keine 'silver bullet'. Ich wünschte es, gäbe ein Rezept."