Brigitte L. (80) wollte am 7. Oktober übrig gebliebene Lebensmittel weitergeben. Sie legte einen Bund Lauch und eine Packung Trauben auf ein Mäuerchen am Humboldtplatz in Favoriten. "Ich wollte sie nicht wegwerfen", sagt sie dem "Falter". Kurz darauf kamen zwei Waste Watcher der MA 48. Sie erklärten, das Ablegen von Lebensmitteln im öffentlichen Raum sei verboten.
Die 80-Jährige zeigte sich kooperativ, warf den Lauch in eine nahe Biotonne – und erhielt dennoch eine Organstrafverfügung über 50 Euro. Begründung: Sie habe gegen das Wiener Reinhaltegesetz verstoßen, weil die Ablagerung bereits erfolgt war.
Die MA 48 bestätigte den Vorfall gegenüber dem "Falter": "Entscheidend ist, dass die Ablagerung im öffentlichen Raum stattgefunden hat – nicht, ob sie anschließend beseitigt wurde." Die Strafe von 50 Euro sei die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe. Das Vorgehen der Beamten sei korrekt gewesen.
Zugleich räumte die Stadt ein, dass solche Situationen Fingerspitzengefühl erforderten. Oft würden Gegenstände "mit guter Absicht" abgelegt, trotzdem handle es sich um eine Ordnungswidrigkeit.
Der Fall sorgt für Diskussionen. Denn erst kürzlich präsentierte Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) eine neue Zero-Waste-Strategie, um Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen. Dass eine Seniorin nun für ihren Versuch, Essen weiterzugeben, bestraft wird, stößt auf Unverständnis – berichtet der "Falter".
"Die Absicht, Lebensmittel nicht zu verschwenden, ist grundsätzlich begrüßenswert", so die MA 48. Öffentliche Plätze seien dafür aber nicht geeignet, da dort Hygieneprobleme und Schädlinge drohen könnten. Wer übrig gebliebene Lebensmittel spenden möchte, könne sie in sogenannten FAIRteilern abgeben – öffentlichen Kühlschränken in mehreren Bezirken.