Hunderttausende betroffen

Wirbel um VfGH-Urteil – Vermieter zittern vor Folgen

Laut einer VfGH-Erkenntnis sind Wertanpassungsklauseln in Mietverträgen ungültig. Hunderttausende Mieter könnten nun Geld fordern.
Michael Rauhofer-Redl
16.07.2025, 07:03
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Vermieter müssen bald möglicherweise Mieterhöhungen vieler Jahre zurückzahlen. Grund dafür ist ein brisantes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von vergangenem Freitag. Dieser hat nämlich bestimmte Wertsicherungsklauseln, also im Grunde automatische Mieterhöhungen, für ungültig erklärt und damit ein Urteil des Obersten Gerichtshof (OGH) bestätigt.

Für helle Aufregung sorgt das jüngste Urteil freilich auch in der Immobilienbranche. Schon in den vergangenen Tagen haben sich wichtige Vertreter daraus für eine rasche Gesetzesänderung ausgesprochen. Laut Koalitionsprogramm soll eine Verjährung bei der Wertsicherungsklausel kommen. Dann könnte man Verträge nicht mehr beispielsweise 30 Jahre rückwirkend beeinspruchen, sondern etwa nur drei oder fünf Jahre.

Welche Verträge sind betroffen?

Es geht Mietverträge zwischen gewerblichen Vermietern und privaten Mietern. Experten vermuten, dass Hunderttausende Mietverträge betroffen sein könnten. Darum geht es: Wenn im Mietvertrag nicht dezidiert ausgeschlossen wird, dass in den ersten zwei Monaten eine Erhöhung möglich ist, dann ist die ganze Wertsicherungsklausel ungültig. "Das würde im Extremfall bedeuten, dass wenn ich vor 20 Jahren einen Mietvertrag abgeschlossen habe, sämtliche Anpassungen, die bisher gemacht worden sind, unwirksam sind, ich Mietzinse zurückfordern könnte und Anpassungen für die Zukunft nicht möglich sind", so Zivilrechtsxpterte Martin Spitzer.

Immer mehr Mieter fordern nun ihr Geld zurück, wie das Ö1-Morgenjournal am Dienstag berichtet unter Berufung auf Jurist Oliver Peschel. Seine Kanzlei verhandle bereits mehrere Fälle vor dem OGH. Jeder Fall müsse dabei aber individuell betrachtet werden. Eine Sammelklage sei nicht möglich. Bei ihm würden sich Menschen aus ganz Österreich melden. Damit gehen aber auch unterschiedliche Vermieter und Verträge einher.

Nun blicken Peschel und seine Klienten gespannt auf die Urteile des OGH. Denn die Rechtslage zu Wertsicherungsklauseln ist weiter unklar. Der OGH muss nun final klären, ob wirklich ganze Klauseln aufgrund einer Formulierung rechtswidrig sind, und wenn ja, unter welchen Umständen. Damit verbunden ist dann auch die Frage ob man tatsächlich Rückforderungen für die vergangenen Jahrzehnte stellen kann und nur den ursprünglichen Mietzins bezahlen muss.

Immobilienbranche zeigt sich nervös

In der Immobilienbranche befürchtet man massive Auswirkungen. Reinhard Pesek, er vertritt mehrere gewerbliche Vermieter, spricht am Mittwoch im ORF-Radio Ö1 von einem "enormen Drohungspotenzial" aus Sicht der Vermieter. Denn es gebe bereits erste Entscheidungen, wonach Mieter tatsächlich für derart lange Zeiträume Rückforderungen zugesprochen bekommen haben. Das alleine sei "schon schlimm genug". Aber auch, dass der ursprüngliche Mietzins "versteinert" sei, missfällt dem Juristen.

Gilt das Urteil auch für mich? Die Voraussetzungen:

  • Als erste Voraussetzung muss der Vermieter ein Unternehmen sein, also das Konsumentenschutzgesetz greifen. In diese Gruppe fallen etwa Versicherungen und Banken, aber auch die Stadt Wien. Nicht vom VfGH-Urteil betroffen sind private Vermieter.
  • Zusätzlich muss für den Abschluss ein Mustervertrag (alias Vertragsformblatt bzw. Formularmietvertrag) verwendet worden sein, also eine vorgefertigte Vereinbarung, bei der der Mieter typischerweise kein bzw. kaum ein Mitspracherecht hat.
  • Ebenso hat der Vertrag eine Wertsicherungsklausel zu enthalten, in der eine Mieterhöhung in den ersten zwei Monaten nach Abschluss nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird – also darin nicht explizit darauf hingewiesen wird, dass innerhalb der ersten zwei Monate die Klausel nicht greift.
  • Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, kann die gesamte Wertsicherungsklausel ungültig sein.

Die Dimension des VfGH-Erkenntnis sei noch nicht abschätzbar, denn die gelebte Praxis in Verträgen war über Jahrzehnte eine andere. "Die Mietverträge, die bis ungefähr 2023 abgeschlossen sind, da wage ich zu behaupten, dass es wahrscheinlich in mehr als 99 Prozent der Fälle nicht der Fall ist, dass die zweimonatige Sperrfrist ausdrücklich in der Klausel ausgeführt wurde", so Pesek.

{title && {title} } mrr, {title && {title} } Akt. 16.07.2025, 07:29, 16.07.2025, 07:03
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