"Mein Vater bekam vor dreißig Jahren zwei kleine Welse geschenkt. Er dachte, sie wären im Teich herzig", sagt Stefanie Schwab zu "20 Minuten". Sie ist Chefin des Restaurants "Florida" in Studen, Kanton Bern – und das in dritter Generation.
Vom Restaurant aus hat man beim Essen direkten Blick auf den Teich. Darin schwimmen verschiedene Fische und Entenarten: "Ich kaufe immer Zuchtenten, damit wir hier eine schöne Vielfalt haben. Das ist eine Attraktion für die Gäste."
Vor etwa zehn Jahren hätten sie dann den ersten Wels aus dem Teich entfernt, er wurde zu groß. "Jetzt ist es Zeit, den zweiten Wels auch herauszunehmen. Er frisst die kleinen Entlein im Teich", sagt die Wirtin.
In den letzten Jahren habe sie verschiedene befreundete Fischer eingeladen, den Wels zu fangen. "Von denen hat es aber keiner geschafft." Schließlich habe sie einem Mitarbeiter gesagt, dass nun wirklich etwas passieren müsse.
Dieser habe daraufhin vor rund zwei Wochen einen Aufruf in den sozialen Medien gestartet. "Seither kommen täglich Fischer vorbei – aber noch keinem ist es gelungen, das Tier zu fangen."
Laut Schwab ist der Wels mindestens 1,50 Meter lang, vermutlich sogar größer. "Ich kann nur schätzen und möchte nicht übertreiben – man sieht ja nie den ganzen Fisch. Meistens sieht man nur die Schwanzflosse."
Man merke deutlich, dass der Wels sehr schlau sei. "Er hat hier im Teich ein richtiges Gourmet-Buffet und kann sich an den Tieren bedienen. In freier Wildbahn müssten Welse jagen – hier ist er wählerisch und beißt nicht auf jeden Köder an."
Die Fischer hätten es bereits mit Hühnerherzen oder Leberstücken versucht. "Einmal probierte es jemand sogar mit einer toten Ente als Köder – aber auch da war er zu clever, um anzubeißen."
Diejenigen, die ihr Glück versuchen, bekommen von Stefanie Schwab Getränke und Essen spendiert. "Die meisten wollen aber gar keine Belohnung – ihnen geht es um den Ruhm", sagt sie. Wer den Wels fängt, darf ihn behalten.
Auch als "20 Minuten" vor Ort ist, stehen schon am Morgen einige Fischer am Teich. Die Chefin hat stets ein Auge auf sie, geht hinaus und spricht mit allen, auch mit Laurent (15) und Ennio (15). "Wir sind hier, um den Wels zu fangen", sagt Laurent selbstbewusst.
Auf die Frage, was sie mit dem Fisch machen würden, wenn sie ihn tatsächlich fangen, meint Ennio: "Wir würden ihn erlegen, filetieren und essen – oder wahrscheinlich dem Restaurant schenken."
Dass Welse auch kleine Enten fressen, sei keineswegs außergewöhnlich, sagt Dr. Jakob Brodersen, Abteilungsleiter für Fischökologie und Evolution an der Eawag, zu 20 Minuten. Die Eawag ist das Wasserforschungsinstitut des Bundes und Teil des ETH-Bereichs.
"Welse sind ausgesprochene Allesfresser. Sie fressen, was in ihr Maul passt." Je größer der Wels, desto vielfältiger seine Beute: "Während Jungtiere sich von Insektenlarven ernähren, fressen größere Exemplare kleine Fische – und besonders große Tiere greifen auch zu Enten, anderen Wasservögeln oder größeren Fischen."
In kleineren Gewässern wie in diesem Restaurantteich seien Welse oft die Spitzenprädatoren: "Solche großen Räuber haben einen enormen Einfluss auf das Ökosystem", sagt Brodersen. Das könne positive oder negative Folgen haben: In natürlichen Gewässern seien sie wichtig für das Gleichgewicht des Ökosystems.
In einem künstlichen, kleinen Teich – etwa einem Restaurantweiher – könne ein großer Wels jedoch das gesamte System durcheinanderbringen. "Solche künstlichen Lebensräume sind ohnehin empfindlich, und ein großer Räuber kann dort das Gleichgewicht völlig verändern", so Brodersen.