Im Trentino sorgt eine ungewöhnliche Protestaktion für Aufsehen: An mehreren Gipfelkreuzen in den Brenta-Dolomiten sind Schilder aufgetaucht, die folgende Botschaft tragen: "Die schlechte Nachricht ist die Präsenz der Religionen, die gute ist, dass Du sie nicht brauchst."
Dahinter steckt Alessandro Giacomini, ehemaliger Sprecher der Union der Atheisten und Agnostiker. Er fordert, dass die Berge frei bleiben von Symbolen, die seiner Ansicht nach spalten. Darüber berichtete der Corriere della Sera.
Für Giacomini sind Gipfelkreuze keine neutralen Zeichen, sondern der Ausdruck einer spezifischen Religion. "Für einen Atheisten oder einen Menschen anderer Glaubensrichtungen ist das Kreuz nicht ein universelles Symbol des Gedenkens, sondern ein stark religiös geprägtes Zeichen", sagt er. Die Berge seien jedoch ein öffentlicher Raum, der allen gehöre. Indem man dort dauerhaft Kreuze aufstelle, beanspruche man ein Stück Natur für eine bestimmte Weltanschauung. Seine Forderung: Die Gipfel müssten wieder neutrale Orte sein, an denen sich jeder willkommen fühlt.
Sein Aufruf hat Resonanz gefunden: Wandernde haben an verschiedenen Gipfelkreuzen ähnliche Schilder befestigt. Giacomini spricht von einer "notwendigen Provokation", die Debatten anstoßen solle – und nicht von einem Angriff auf Tradition oder Kultur.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Der Trentiner Regional- und Provinzrat Claudio Cia (ehemals Fratelli d’Italia) zeigt sich empört. Für ihn sind die Kreuze Ausdruck von Geschichte, Erinnerung und Zusammenhalt. "Die Gipfelkreuze sind keine auferlegten Zwänge, sondern volkstümliche Zeichen, die aus Hingabe und Gedenken entstanden sind", äußerte er sinngemäß. "Sie erinnern an die Verstorbenen und laden ein, über uns hinauszublicken. Wer das alles mit einem Slogan abtut, verarmt kulturell."
Cia geht sogar noch weiter: Er nennt die Protestaktion eine "Clownerie". Das Trentino habe stets gezeigt, dass sich Gewissensfreiheit und Respekt für das eigene spirituelle und kulturelle Erbe verbinden ließen. "Weniger Parolen, mehr Dialog" sei der richtige Weg.
Während Cia die Kreuze als verbindend beschreibt, sieht Giacomini darin eine Form der Ausgrenzung. "Berge sind ein gemeinsames Gut, sie gehören allen", betont er. "Wenn wir sie mit religiösen Symbolen markieren, machen wir einen Unterschied zwischen denen, die sich darin wiederfinden, und jenen, die ausgeschlossen bleiben."
Die Diskussion um Gipfelkreuze ist nicht neu. Schon 2024 hatte der berühmte Extrembergsteiger Reinhold Messner erklärt: "Wir tolerieren die bestehenden Kreuze, aber neue braucht es nicht." Messner sprach damit aus, was auch in der Alpen-Community längst diskutiert wird: Sind die Kreuze noch Ausdruck einer lebendigen Tradition – oder erinnern sie an eine Zeit, in der Religion dominanter war?
In vielen Regionen der Alpen haben die Kreuze eine lange Geschichte. Sie stehen für Schutz, Dankbarkeit und Gedenken, oft errichtet von Dorfgemeinschaften oder alpinen Vereinen. Für viele Bergsteiger und Wanderer sind sie ein vertrautes Bild.