Gesundheit

So leiden wir unter den Nachwirkungen der Coronakrise

Ein neuer Bericht der OECD legt psychische Nachwirkungen der Coronakrise dar. Besonders betroffen sind Kinder.

Sabine Primes
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Das vergangene Jahr hat bei einigen tiefe Spuren in der Seele hinterlassen.
Das vergangene Jahr hat bei einigen tiefe Spuren in der Seele hinterlassen.
Getty Images

Das vergangene Jahr hat uns in vielerlei Hinsicht auf die Probe gestellt - vor allem psychisch. Erwachsene, genauso wie Kinder. Familien genauso wie Alleinerziehende oder Singles. Die COVID-19-Krise hat die Bedeutung eines guten psychischen Wohlbefindens und Lücken in der Unterstützung deutlich gemacht. Die Zahl jener, die sich psychologische Unterstützung geholt haben stieg an. Therapeuten versuchten der Nachfrage mittels Tele-Therapie nachzukommen. So musste die Therapie nicht unterbrochen werden, sondern konnte mittels Videotelefonie weiter wie gewohnt stattfinden. 

Umfragen in der OECD-Bevölkerung zeigten deutlich, dass sich die psychische Gesundheit von März bis April 2020 verschlechtert hatte. In Österreich gaben 43,5 Prozent der Befragten die psychischen Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs als mittelschwer oder schwerwiegend an.

OECD steht für Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und ist eine internationale Organisation, deren Ziel eine bessere Politik für ein besseres Leben ist – eine Politik also, die Wohlstand, Gerechtigkeit, Chancen und Lebensqualität für alle sichern soll.

Arbeitslosigkeit und Armut

Eine gute psychische Gesundheit ist entscheidend für ein gesundes, produktives Leben und Eckpfeiler für starke Volkswirtschaften. Die Belastung durch psychisch Kranke ist beträchtlich. In den OECD-Ländern lebt bis zu einer von fünf Personen mit einer psychischen Erkrankung und etwa jede zweite Person wird im Laufe ihres Lebens von einer psychischen Erkrankung betroffen sein. Das Leben mit einer psychischen Erkrankung erschwert es, in der Schule oder am Arbeitsplatz zu bleiben, effektiv zu studieren oder zu arbeiten und in guter körperlicher Verfassung zu bleiben. Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren wie Beschäftigungsstatus, Einkommen, körperliche Gesundheit, Erfahrungen in der Kindheit und Jugend haben alle einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit im gesamten Lebensverlauf. In vielen, wenn nicht den meisten OECD-Ländern, hat die Krise die wichtigsten Risikofaktoren für psychische Erkrankungen – Arbeitslosigkeit, finanzielle Unsicherheit, Armut - erhöht. 

Lücken in der Versorgung

Dennoch können noch immer nicht alle, die eine psychologische Beratung benötigen auch eine bekommen. Im Durchschnitt gaben 63,7 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter in den OECD-Ländern, die eine psychologische Versorgung wünschen, an, dass sie aus finanziellen oder geografischen Gründen oder wegen langer Wartezeiten Schwierigkeiten haben, diese in Anspruch zu nehmen. Der ungedeckte Bedarf an psychiatrischer Versorgung ist in allen OECD-Ländern eine anhaltende Herausforderung. Zwar wurde die Serviceverfügbarkeit erhöht, entspricht aber immer noch nicht der Nachfrage. Diese Lücke bei psychiatrischen Diensten ist seit langem bekannt und wird weltweit auf über 50 Prozent geschätzt. 

Auswirkungen auf Bildung und Beruf

In den meisten OECD-Ländern haben Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen mehr Probleme mit Bildung und sind seltener erwerbstätig als die Allgemeinbevölkerung. Im Durchschnitt lag die Beschäftigungsquote bei Personen mit psychischen Erkrankungen um 20 Prozent niedriger als bei Personen ohne psychische Erkrankungen. OECD-weit haben Schüler mit psychischen Erkrankungen eine 35 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, eine Klasse zu wiederholen.

In allen Ländern, die das Wohlbefinden der Bevölkerung im Jahr 2020 während der COVID-19-Krise verfolgten, war der psychische Gesundheitszustand bei Arbeitslosen, wirtschaftlichen Schwierigkeiten und jungen Menschen deutlich schlechter als bei der Gesamtbevölkerung.

Kinder besonders betroffen

Bei den Erhebungen wurde festgestellt, dass mehrere Bevölkerungsgruppen besonders anfällig für psychische Erkrankungen sind, und viele haben schlechtere Erfahrungen und Ergebnisse sowie weniger Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung. Solche Bevölkerungsgruppen variieren von Land zu Land und umfassen unter anderem die LGBTQI+ - Gemeinschaft, indigene Bevölkerungen, bestimmte ethnische Gruppen einschließlich ethnischer Minderheiten, ältere Erwachsene und Flüchtlinge.

Der OECD-Bericht weist besonders darauf hin, sich auf die Förderung einer guten psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu konzentrieren. Schon vor der COVID-19-Pandemie haben Überprüfungen  steigende Raten von selbstberichteter psychischer Belastung, insbesondere bei Jugendlichen, aufgezeigt. Das hat sich auch während des Pandemie-Jahres nicht verändert. Die psychische Gesundheit junger Menschen verschlechterte sich schneller als die der Allgemeinbevölkerung. In der PISA-Studie der OECD wird über Angst vor der Schularbeit berichtet und von steigenden Raten von Selbstverletzung und Suizidgedanken. Mehr Zeit, die online verbracht wird, sowie Stress und Druck aufgrund der starken Nutzung sozialer Medien wurden ebenfalls als Bereiche mit neuer Besorgnis für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen genannt. Interventionen zur Förderung einer guten psychischen Gesundheit und zur Vorbeugung psychischer Erkrankungen sind im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter sehr effektiv und am kosteneffektivsten.

Mehr öffentliche Maßnahmen in Frankreich und Neuseeland

Im Laufe des Jahres 2020 wurde immer deutlicher, dass die COVID-19-Krise erhebliche Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Bevölkerung hatte. Die OECD-Länder haben schnelle, konkrete Schritte unternommen, um im Jahr 2020 psychologische Unterstützung besser verfügbar zu machen, insbesondere durch niedrigschwellige Ressourcen wie internet- und telefonbasierte Informationen und Unterstützung. In den meisten, wenn nicht in allen OECD-Ländern stehen der Allgemeinbevölkerung telefonische und Online-Dienste zur psychischen Unterstützung zur Verfügung, einschließlich der Herausgabe spezieller Leitlinien zur psychischen Gesundheit und der Einrichtung von Telefonleitungen oder Online-Plattformen.

In Frankreich wird weithin für eine Telefon-Hotline geworben, über die Menschen psychologische Unterstützung erhalten können, einschließlich in jeder COVID-19-Pressekonferenz der Regierung und Anfang 2021 kündigte die französische Regierung einen neuen Anspruch auf erstattete psychologische Unterstützungssitzungen an. In Neuseeland sind drei Online-Tools zur psychischen Gesundheit kostenlos verfügbar, während die Regierung zwei zusätzliche Programme zur Unterstützung der psychischen Gesundheit – "Getting Through Together" und "Sparklers at Home" – und eine Reihe Aktivitäten und Ressourcen für Eltern, die sie mit ihren Kindern zu Hause nutzen können, anbieten.

Art und Weise, wie psychische Gesundheitsdienste erbracht werden, ändert sich, weitere Maßnahmen notwendig

Die Art und Weise, wie psychische Gesundheitsdienste erbracht werden, hat sich durch den COVIC-19-Ausbruch geändert: Es scheint, dass mehr auf andere Tools zur psychischen Gesundheit zugegriffen wird. In den Vereinigten Staaten verzeichnete das Online-Therapieunternehmen "Talkspace" zwischen Mitte Februar und Ende April einen Anstieg der Kundenzahlen um 65 Prozent. Eine staatliche Hotline für Menschen in emotionaler Not sogar einen Anstieg von 1.000 Prozent im April 2020 gegenüber April 2019 aus.

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    Der COVID-19-Ausbruch scheint sowohl die Bereitstellung von psychischen Gesundheitsdiensten über Telemedizin als auch die Verfügbarkeit und Nutzung von internet- oder app-basierten Instrumenten für psychische Gesundheit weiter beschleunigt zu haben. Mehrere Länder haben gesetzliche oder Erstattungsbeschränkungen für die Bereitstellung von psychiatrischen Diensten durch Telemedizin aufgehoben. In Australien beschleunigte die Krise den Einsatz der Telemedizin rapide und Ende April wurden bereits 50 Prozent der Psychologie-Sitzungen online angeboten. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend mit Abklingen der Gesundheitskrise fortsetzt.

    Abschließend heißt es in dem Bericht: "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierungen Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit ergreifen und wirksame Dienste zur Behandlung von psychischen Erkrankungen einrichten, wenn sie auftreten".

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