Großer Trubel am Wiener Landl: Jetzt findet der Schöffen-Prozess gegen jene Jugendliche statt, die in Wien-Favoriten die 12-jährige Anna-Sophia (Name geändert) monatelang bedrängt, bedroht und missbraucht haben sollen. Im Saal wurde aus Opferschutzgründen ein strenges Film- und Fotografierverbot verhängt. Einige der einst großmäuligen Angeklagten ("Sie hat das so gewollt") verdeckten bei Betreten des Gerichtssaales ihre Gesichter mit ihren Hoodies und mitgebrachten Mappen. Drei Burschen erschienen zu spät.
Auf der Anklagebank wurde es eng, die Jugendlichen saßen dicht an dicht nebeneinander. Der Saal war mit Eltern, Angehörigen, Zuschauern und Journalisten bis auf den letzten Platz gefüllt.
Einzeln wurden die Eckdaten der Burschen aufgenommen: Einer geregelten Arbeit geht derzeit fast keiner der Angeklagten nach. "Ich mach’ gerade nichts", antwortete einer schnippisch auf die Frage des Richters, ob er aktuell beruflich tätig sei. Außerdem kam heraus: Mehrere der Burschen sind bereits vorbestraft, einige saßen bereits in Haft – etwa wegen schweren Raubes, Einbrüchen und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
„Nehmen Sie das ernst und ziehen Sie das nicht ins Lächerliche“Richterzu angeklagten Jugendlichen
"Es wäre sinnvoll, das ernst zu nehmen und nicht ins Lächerliche zu ziehen. Schließlich sind Sie hier vor Gericht", belehrte der Richter die teilweise grinsenden Burschen aus unterschiedlichen Ländern (Österreich, Mazedonien, Syrien, Türkei, Bulgarien – einer ist Italiener) gleich zu Beginn der Verhandlung.
Mit Worten wie "Komm schon, mach doch", forderten Burschen die damals 12-Jährige auf, mit ihnen Sex in Steigenhäusern und in Wohnungen zu haben, erklärte die Staatsanwältin. Das Opfer sagte demnach des Öfteren, das nicht zu wollen. "Sie fühlte sich bedrängt und sah keinen Ausweg", führte die Juristin aus. Die 12-Jährige sei mehrmals pro Woche zu Treffen mit den Jugendlichen "in unterschiedlichen Konstellation" überredet worden.
In einer Nacht im April 2023 sollen insgesamt zwölf Jugendliche, die damals zwischen 13 und 16 Jahren waren, über die damals 12-Jährige hergefallen sein. Um überhaupt ein Zimmer im Bahnhofs-Hotel zu bekommen, musste ein 18-Jähriger von den Jugendlichen gebeten werden, die Unterkunft zu buchen.
Alle Burschen bekannten sich nicht schuldig. "Das Opfer tut mir leid, aber wir sind hier am falschen Ort", kritisierte Verteidiger Mirsad Musliu. Sein Mandant und die anderen Jugendlichen hätten das Mädchen weder bedroht, noch zu irgendetwas gezwungen. Sie habe alles freiwillig gemacht, nachdem sie von den Burschen überredet worden sei. "Das ist moralisch verwerflich, strafrechtlich ist das jedoch nicht relevant", so der Anwalt. Alles sei nur auf ein dysfunktionales Familiensystem zurückzuführen, tobte einer der Verteidiger. "Diese jungen Leute werden an den Pranger gestellt. Das ist unpackbar."
Danach wurde für die Einvernahmen der Jugendlichen aus Gründen des Opferschutzes die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Von den zehn männlichen Angeklagten waren neun zum Tatzeitpunkt Jugendliche und müssen sich demnach wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung verantworten. Bei zwei Angeklagten wurde das Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung angeklagt. Auch das Verschaffen von Kindesmissbrauchsmaterial und bildlich sexualbezogene Darstellung einer minderjährigen Person wird den Burschen vorgeworfen. Drei mutmaßliche Täter konnten aufgrund von Strafunmündigkeit nicht angeklagt werden, treten als Zeugen auf.
Die Verhandlung wurde für zwei Tage angesetzt. Die Unschuldsvermutung gilt.