Eine skurrile Jobanzeige aus Nordlondon schlägt derzeit hohe Wellen: Eine extrem wohlhabende Familie sucht eine private Lehrkraft – für ein Kind, das gerade einmal ein Jahr alt ist.
Das Jahresgehalt? Satte 180.000 Pfund, also mehr als 200.000 Euro. Dafür soll der Mini-Schützling möglichst früh auf den Weg zum perfekten "englischen Gentleman" gebracht werden.
Die Anzeige klingt wie aus einem Roman der britischen Upper Class: Gesucht werde ein "außergewöhnlicher und erfahrener Tutor", der den Junior "auf seinen ersten Schritten zum englischen Gentleman" begleiten soll. Tatsächlich sind diese "ersten Schritte" wörtlich zu nehmen – denn der künftige Schützling kann bislang kaum laufen, geschweige denn sprechen. Dennoch erwartet die Familie, dass der künftige Hauslehrer früh Spracherwerb, Motorik, Umgangsformen und später Kreativität, Kulturverständnis und Problemlösefähigkeit prägt.
Die Eltern haben ein glasklares Ziel: Ihr Baby soll später auf eine Eliteschule wie Eton gehen – also dorthin, wo schon Prinz William, Prinz Harry und zahlreiche Premierminister die Schulbank drückten.
Laut Tutors-International-Chef Adam Caller, dessen Agentur den Job vermittelt, hat die Familie beim älteren Kind "zu spät" begonnen, berichtet die BBC. Der inzwischen Fünfjährige habe bereits "kulturelle Prägungen" der Familie übernommen, die nicht dem britischen Ideal entsprächen. Diesmal wolle man "von Anfang an gegensteuern".
Der Tutor oder die Tutorin soll daher nicht nur "beste britische Umgangsformen" haben, sondern auch den prestigeträchtigen Akzent "Received Pronunciation" sprechen – also das Hochenglisch, das man aus BBC-Dokus kennt. Außerdem müsse die Lehrkraft selbst eine Eliteschul-Laufbahn vorweisen und wie selbstverständlich kulturelle britische Feinheiten vermitteln. Museumsbesuche, Theater, Musikunterricht, sowie frühzeitige Freizeitaktivitäten wie Cricket, Tennis, Polo oder Reiten sollen das Baby möglichst früh in die britische Welt hineinwachsen lassen.
Innerhalb weniger Wochen gingen laut BBC bereits Hunderte Bewerbungen ein – und ebenso viele kritische Kommentare. Branchenexperten warnen davor, kulturelle Identität "konstruieren" zu wollen. Der Tutor Peter Cui etwa bezeichnete gegenüber der BBC das Vorhaben als "idealistisch und unrealistisch". Kultur könne man nicht implantieren – sie müsse entstehen.
Tutors International widerspricht und sieht in solchen Elite-Jobs eher einen wachsenden Trend. Weltweit gebe es immer mehr ultrareiche Familien, die erstklassiges Privatpersonal suchen.