Der Machtpoker zwischen FPÖ und ÖVP eskaliert. Nach einem eineinhalbstündigen Treffen der Parteichefs samt enger Vertrauter am Montagabend blieb alles offen, aber der Ton wurde rauer. Die Schwarzen hatten den Blauen ein zweiseitiges Grundsatzpapier übergeben – sie fordern von den Blauen unter anderem ein klares Bekenntnis zur EU, zu internationalen Kooperationen und der Orientierung Richtung Westen.
Die Verhandlungen gehen am Dienstag weiter, um 11 Uhr startete man in der "Sechserrunde" im Parlament – Dauer und Ausgang völlig ungewiss, "Heute" berichtet live.
Schon vor Start des Treffens ging es heftig her, die ÖVP attestierte FPÖ-Chef Herbert Kickl öffentlich einen "Machtrausch", so seien die Blauen nicht "regierungsfit". "Demokratie bedeutet auch Konsensorientierung und kein Diktat", so Wirtschaftskammerchef und ÖVP-Verhandler Harald Mahrer gegenüber "Heute".
Zeitgleich mit Beginn der blau-schwarzen Gespräche am Dienstag meldete sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit einem Video-Statement auf Social Media zu Wort. Sie blicke "mit zunehmender Sorge" auf die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. "Österreich braucht eine handlungsfähige Regierung. Das erwarten sich die Menschen", so die pinke Frontfrau – eine solche Regierung sei aber nicht in Sicht, weshalb sich "Ärger und Fassungslosigkeit" breit mache.
Die blau-schwarzen Verhandlungen würden nicht auf Augenhöhe ablaufen, analysiert Meinl-Reisinger. Man sehe einen "machtlüsternen selbsternannten Volkskanzler Kickl", der von "gekränkter Eitelkeit getrieben" sei und eine "Vergangenheitsabrechnung mit der ÖVP auf Kosten von uns allen" betreibe.
Ein Budget zur Vermeidung eines EU-Defizitverfahrens hätten FPÖ und ÖVP zwar zusammengebracht. Aber ansonsten sehe sie nur "symbolische Themen" und keinen Plan für eine "Wiederbelebung der Wirtschaft" und eine "Aufholjagd in der Bildung". Stattdessen würden ein "strammer Anti-EU-Kurs" und "Angriffe auf den Rechtsstaat" anklingen.
Der Krieg um die Zukunft wird auf diese Weise verloren", mahnt Meinl-Reisinger: "Die Freiheit von jedem Einzelnen ist in Gefahr." Die "Vernünftigen in der FPÖ" seien offenbar "nicht in der Lage, Kickl in seinem Machtrausch einzufangen."
„Niemand muss einen rachsüchtigen Kanzler Kickl zulassen“Beate Meinl-ReisingerNEOS-Chefin
Es gebe aber "Alternativen zur Tyrannei der FPÖ", sagt Meinl – Österreich habe Besseres verdient. "Bei uns in Österreich muss man Mehrheiten finden, um Gesetze durchzubringen". Die NEOS hätten immer Kompromissbereitschaft gezeigt, "bis an unsere Grenzen". In den Dreierverhandlungen der NEOS mit ÖVP und SPÖ sei in diesem Setting eine Einigung nicht möglich gewesen. Schon damals habe sie aber Alternativen aufgezeigt, der Volkspartei eine Minderheitenregierung angeboten.
An die ÖVP appellierte Meinl-Reisinger am Dienstag wieder. Noch sei es nicht zu spät, einen anderen Weg einzuschlagen. "Niemand muss einen rachsüchtigen Kanzler Kickl zulassen", so die NEOS-Chefin. Die Pinken seien grundsätzlich bereit, wieder Gespräche zu führen – "auch zu dritt". Und auch in einer eventuell "moderierenden Rolle". Die SPÖ müsse dann aber "in die Mitte rücken".
Sie habe diese Szenarien in der Vorwoche auch bereit in einem längeren Telefonat mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen besprochen, erklärte Meinl-Reisigner. "Der Ball liegt bei der ÖVP", schloss sie ihr Statement.