Die Regierungsgespräche zwischen FPÖ und ÖVP stehen vor der Entscheidung. Nachdem sich die Verhandler ein zumindest offiziell freies Wochenende gegönnt haben, dürfte es am Montag um Alles oder Nichts gehen.
Zu Beginn der neuen Woche soll klar werden, ob sich Blau und Schwarz bei der Ressortaufteilung zusammenraufen können. Auch wenn übers Wochenende einige "Kompromissvorschläge" herumschwirrten, zeichnet sich eine echte Lösung nicht ab.
Die FPÖ hatte der ÖVP ja bereits am Mittwoch einen Vorschlag unterbreitet, der für die Schwarzen sieben Ministerien und für die Blauen den Kanzler plus sechs Ressorts vorsah. Dass die FPÖ die Schlüsselressorts Finanzen und Inneres beide für sich beansprucht, sah die ÖVP als Affront - beharrte sie doch ihrerseits auf diesen beiden Ministerien.
FPÖ: Bundeskanzler, Kanzleramtsminister (Verfassung, Medien, Kultur, Deregulierung), Gesundheit/Sport, Soziales/Integration, Finanzen, Inneres
ÖVP: Vizekanzler, Äußeres mit EU-Koordinierung, Frauen/Familie/Jugend, Landwirtschaft/Umwelt, Wirtschaft/Energie/Arbeit, Bildung/Wissenschaft/Forschung, Infrastruktur, Landesverteidigung
Unabhängig: Justiz, Staatssekretär im Innenministerium für Nachrichtendienst DSN
Inzwischen drang aus der ÖVP durch, dass man der FPÖ das Finanzressort überlassen könnte. Aber das Innenministerium müsse schwarz bleiben. Für die Blauen wiederum ist das Innenministerium eine absolute Bedingung - Stichwort Asyl- und Migrationspolitik -, darauf werde man nicht verzichten, betonen hochrangige FPÖ-Strategen gegenüber "Heute".
Eine klassische Pattsituation also. Zwar dürfte FPÖ-Chef Herbert Kickl der ÖVP entgegenkommen und bereit sein, den Schwarzen die EU-Agenden zu überlassen. Wie "Heute" am Sonntag von einem hochrangigen Verhandler erfuhr, soll die EU-Koordinierung aus dem Bundeskanzleramt zurück ins Außenministerium wandern. Das galt als zentrale Forderung der selbsternannten Europapartei ÖVP.
"Das sind aber letztlich Peanuts", heißt es aus schwarzen Verhandlerkreisen zu "Heute". Man spüre bei den Blauen keinen Willen zu Gesprächen auf Augenhöhe. Dass Finanz- UND Innenministerium an die FPÖ gehen, "werden wir nie und nimmer akzeptieren".
"In der FPÖ hat nur eine einzige Person etwas zu sagen, und das ist Herbert Kickl. Was er will, gilt - und er verhandelt nicht, sondern sagt an", beschreiben ÖVP-Verhandler das Gesprächsklima. Kickl rede auch in der eigenen Partei nur mit ganz wenigen Vertrauten, geschweige denn, dass er sich mit ÖVP-Leuten länger hinsetze. Das laufe nach dem Motto "Friss oder Stirb", gemeinsames Ausloten möglicher Lösungen "spielt's mit Kickl nicht" - "er bunkert sich ein und gibt die Marschrichtung aus". In der Art habe man Koalitionsverhandlungen noch nicht erlebt, zeigen sich einige schwarze Verhandler hinter den Kulissen ratlos.
Seitens der Blauen heißt es freilich, man habe der ÖVP ein "faires Angebot" gemacht, immerhin hätten die Schwarzen die Wahlen verloren, würden aber sogar ein Ministerium mehr erhalten als die FPÖ.
"Was Kickl wirklich will, erschließt sich nicht", so ein schwarzer Spitzenverhandler zu "Heute". Auch bei den Ressort-Präferenzen scheint es unterschiedliche Deutungsrichtungen zu geben. Das Finanzministerium sei Kickl letztlich nicht so wichtig, er setze das zum "Pokern" ein - das Um und Auf sei für die Blauen das Innenressort.
Für die Schwarzen allerdings auch, immerhin dürfte ÖVP-Chef Christian Stocker selbst Ambitionen auf den Innenminister haben. Und insbesondere Verfassungsschutz und Geheimdienste dürften nicht in blaue Hände kommen, Österreich werde dann abgeschnitten von Informationen der internationalen Partner - Attacken wie der geplante Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien vergangenen Sommer könnten nicht mehr verhindert werden, warnen Schwarze. Selbst wenn für diese Belange ein unabhängiger Staatssekretär im Innenministerium installiert würde, brächte das nichts - da ein Staatssekretär immer weisungsgebunden ist an den jeweiligen Minister.
Nichtsdestotrotz gibt es laut "Heute"-Informationen in der ÖVP Stimmen, die letztlich doch den Finanzminister aus ihren Reihen bevorzugen würden, als Macht-Gegengewicht zum Kanzleramt. Dann müsste freilich wohl das Infrastrukturressort an die Blauen gehen.
Das Zünglein an der Waage wird jedenfalls das Innenressort. Beharren FPÖ und ÖVP beide darauf, wird's nichts mit Blau-Schwarz und Österreich steuert auf Neuwahlen zu. "Wenn es das ist, was Kickl in Wahrheit will, sollte er sich aber nicht zu sicher sein", so ein hochrangiger ÖVP-Stratege zu "Heute". Auch wenn sich der blaue Parteichef im Umfragehoch sehe: "Umfragen sind wie Parfum - man soll daran schnuppern, aber es nicht trinken." Im Falle von Neuwahlen werde sich die ÖVP auf jeden Fall neu aufstellen. Und auch die SPÖ könnte mit einem anderen Spitzenkandidaten als Andreas Babler ins Rennen gehen.
Der Montag sollte jedenfalls Klarheit bringen, ob Blau und Schwarz weiter an einem gemeinsamen Regierungsprogramm arbeiten oder eben nicht. Selbst wenn der Streit um die Ressorts geglättet wird, gibt es noch gewichtige inhaltliche Stolpersteine. Das zeigt das 200-Seiten-Protokoll der 13 Untergruppen, in denen man zwar bei vielen Punkten Einigkeit erzielt hat, entscheidende Fragen aber auf Rot gestellt sind und damit von den Parteichefs zu klären sind.
Dazu zählt etwa die von der FPÖ geforderte, in den Verhandlungen bisher aber nicht konkretisierte Bankenabgabe. Die ÖVP lehnt eine Zwangssteuer für die Kreditinstitute strikt ab, kann sich aber einen freiwilligen Beitrag der Banken für konjunkturfördernde Maßnahmen vorstellen. Besprochen wurde das noch nicht.
Weitere große Konfliktfelder sind die von der FPÖ angestrebte Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe, Österreichs Ausstieg aus dem WHO-Pandemievertrag und der NATO-Partnerschaft für den Frieden, die Corona-Aufarbeitung inklusive "Schmerzensgeld" für die Covid-Maßnahmen.
Die Liste der Uneinigkeiten ist lang. So will die FPÖ unter anderem auch, dass Kirchenbeitrag und Spenden an gemeinnützige Organisationen nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Ein No-Go für die Schwarzen.
Selbst wenn Anfang der Woche also der Streit um die Ressorts beigelegt würde, bleiben noch harte Verhandlungstage für Blau und Schwarz.
Am Sonntagabend stimmten sich die Parteien noch intern ab. Für Montag steht ein Termin auf Chefebene auf dem Plan.