"Es gibt kein Loch mehr im Gürtel zum Engerschnallen", betont die Armutskonferenz, ein Zusammenschluss aus mehr als 40 Nichtregierungsorganisationen (NGOs), angesichts der Sparpläne der Regierung am Montag in einer Aussendung.
Während im Nationalrat weiter über die Sparmaßnahmen diskutiert wird, schlagen die Hilfsorganisationen jetzt vereint Alarm. Ihre Kritik: Die geplanten Einschnitte treffen ausgerechnet jene, die ohnehin kaum noch über die Runden kommen. Das betreffe insbesondere auch den ländlichen Raum.
„Der Wegfall des Klimabonus betrifft besonders Familien mit kleinem Einkommen in ländlichen Regionen, wie zum Beispiel im Waldviertel.“Martin Schenkstellvertretender Direktor der Diakonie Österreich
Seit 1995, als in Salzburg das erste Mal ein breites Bündnis an zivilgesellschaftlichen Kräften formierte, gibt es die Armutskonferenz. Sie vereint verschiedene Wohlfahrtsverbände, Dachverbände von Sozialinitiativen, kirchliche und gewerkschaftliche Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Zusammenschlüsse von Armutsgefährdeten, Alleinerziehenden und Arbeitslosen.
Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen sozialen Organisationen – darunter auch Caritas und Diakonie – beraten, unterstützen und begleiten jedes Jahr über 500.000 Menschen in Österreich.
Das Budget reiße ein Loch in den Alltag einkommensschwacher Haushalte – genau dort, wo schon jetzt keine Reserven mehr vorhanden sind, kritisiert die Armutskonferenz und fordert dringend Nachbesserungen beim Budgetentwurf der Bundesregierung. Die Kritik lautet: Wer wenig hat, verliert jetzt noch mehr.
Deshalb fordern die Hilfsorganisationen eine automatisierte Direkthilfe für ärmere Haushalte, die Anhebung des Kinderbonus im Kinderabsetzbetrag und, dass Mindestpensionisten von der geplanten Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge ausgenommen werden.
Nicht nur die einzelnen Sparmaßnahmen der Regierung seien problematisch, sagt die Armutskonferenz, sondern vor allem deren Zusammenwirken: Der Klimabonus fällt weg, die Strompreisbremse läuft aus, Leistungen für Familien werden nicht mehr an die Teuerungen angepasst, Kürzungen auch bei der Arbeitslosenversicherung und Schulungszuschlägen – all das summiere sich zu einer massiven Mehrbelastung, warnen die Armutskonferenz.
„Bei den Ärmsten sind es 2,3 Prozent Einkommensverlust, während das Haushaltseinkommen der Reichsten nur mit 0,4 Prozent belastet wird.“ArmutskonferenzBündnis aus 40 Hilfsorganisationen
Auf Ebene der Bundesländer trifft es jetzt vor allem ärmere Regionen, insbesondere auch in Niederösterreich, betont der stellvertretende Direktor der Diakonie Österreich, Martin Schenk: "Der Wegfall des Klimabonus betrifft besonders Familien mit kleinem Einkommen in ländlichen Regionen, wie zum Beispiel im Waldviertel. Da summieren sich die Kürzungen. Auch die vielen Mindestpensionisten im ländlichen Raum sind betroffen. Soziale Nachbesserungen wären gerade da besonders wichtig."
Dabei besonders besorgniserregend: Laut NGOs, soll bei der Betreuung Kranker und der von Menschen mit Behinderungen gespart werden: Diese sollen künftig auch durch ungeschulte Anwälte gesetzlich vertreten werden können – mit potenziell drastischen Folgen für diese Menschen.
Die zahlreichen Verfahren, die etwa bei der Pensionsversicherung (PV) derzeit ausgefochten werden, zeigen: Oft müssen Betroffene einen langen Rechtsweg beschreiten, bis ihre Einschränkungen anerkannt werden, bis es Pflege- oder Krankengeld gibt.
Laut Armutskonferenz leben in Österreich derzeit mindestens 206.000 Menschen in Armut – gegenüber 2020 ein Anstieg von 33 Prozent. Weitere 336.000 Menschen sind erheblich "materiell depriviert" (eingeschränkt). Diese Gruppe hat ein so geringes Einkommen, dass wesentliche Güter und Lebensbereiche im Alltag nicht mehr leistbar sind (z.B. neue Waschmaschine, Wohnung angemessen zu heizen, ein Mal im Jahr Urlaub, unerwartete Ausgaben). Insgesamt sind in Österreich derzeit weitere 1,29 Mio. Menschen (14,3%) armutsgefährdet – mit einem Einkommen unter der Armutsschwelle (1.661€ monatlich). 2,2 Mio. Menschen (22%) kämpfen mit zu hohen Wohnkosten – fast doppelt so viele wie 2022.
Laut einer Analyse des Budgetdienstes im Parlament soll das Haushaltseinkommen aller Österreicher und Österreicherinnen im Jahr 2025 im Durchschnitt um 0,8 Prozent sinken.
Das einkommensschwächste Zehntel verliert aber im Vergleich zum Durchschnitt fast dreimal so viel. Gleichzeitig sinkt das Haushaltseinkommen des reichsten Zehntels nur um die Hälfte des Durchschnitts (0,4 Prozent). Robert Rybaczek-Schwarz, der geschäftsführende Koordinator der Armutskonferenz, sagt: "Was für manche Haushalte nur Peanuts sind, bedeutet für Haushalte mit niedrigem Einkommen erhebliche Einschnitte."
In Prozentzahlen ausgedrückt sind es bei den Ärmsten 2,3 Prozent Einkommensverlust, während das Haushaltseinkommen der Reichsten nur um 0,4 Prozent zurückgeht. Die ärmsten Haushalte verlieren, gemäß den Berechnungen des Budgetdiensts, fünfmal mehr von ihrem jeweiligen Einkommen, als die reichsten Haushalte.
Bis 2029 soll sich dieser Effekt auch noch verstärken: Dann rechnet der Budgetdienst mit 3,3 Prozent Minus bei den Ärmsten.
Ministerium verweist auf Zukunft – NGOs auf die Gegenwart
Vom Finanzministeriums wird immer wieder betont, dass sich die Maßnahmen langfristig positiv auf die Verteilung auswirken sollen. Die Armutskonferenz bleibt aber skeptisch, denn: "Heute muss die Miete bezahlt werden, heute die Energierechnung", heißt es seitens des Bündnisses. Es brauche sofortige soziale Entlastung – nicht erst irgendwann.
Das Ziel der Regierung müsse jetzt sein, die Konjunktur zu stützen, Arbeitslosigkeit zu verhindern und die soziale Schere nicht noch weiter auseinanderklaffen zu lassen.