Kaum ist das Chaos rund um den niederländisch-chinesischen Chip-Produzenten Nexperia halbwegs unter Kontrolle, kommt schon die nächste Hiobsbotschaft für Europas Autobauer: Laut einer Analyse der Strategieberatung Strategy& droht bereits ab 2026 ein neuer Halbleiter-Schock – mit deutlich schwereren Folgen als zuletzt.
Der Grund: Während die weltweite Autoproduktion bis 2030 um 5,6 Prozent wächst, explodiert der Bedarf an Fahrzeug-Chips im selben Zeitraum auf rund 140 Milliarden Dollar – ein Plus von zehn Prozent jährlich. Haupttreiber ist die fortschreitende Digitalisierung: Schon heute steckt in einem Premiumfahrzeug Technik für rund 3.000 Chips.
Das Problem: Autobauer konkurrieren mit Tech-Konzernen um dieselben Fertigungskapazitäten – und geraten ins Hintertreffen. Bereits die Chipkrise von 2021 bis 2023 hatte laut Strategy& über 100 Milliarden Euro gekostet. Und es drohen erneut massive Verluste, wenn die Branche nicht gegensteuert.
Besonders kritisch: In 15 Prozent der untersuchten Premiumfahrzeuge wurden Chips verbaut, die bereits zum Serienstart technisch veraltet oder bald gar nicht mehr verfügbar waren. Gleichzeitig setzen viele Hersteller weiter auf "Just-in-time"-Lagerhaltung – fatal, wenn die Lieferkette stockt.
Die Abhängigkeit von internationalen Lieferanten ist groß: 60 Prozent der in europäischen Premiumautos genutzten Chips stammen aus dem Ausland. Auch bei Rohstoffen ist die Lage heikel: 80 Prozent des hochreinen Quarzes kommen aus den USA, 90 Prozent des Galliums aus China.
Für Tanjeff Schadt, Partner bei Strategy& Deutschland, ist klar: Die Branche muss umdenken. "Die Autoindustrie ist noch aus den 1990er-Jahren auf Optimierung und Kostenersparnis getrimmt, dabei ist der sichere Zugang zu Halbleitern längst zur strategischen Überlebensfrage für deutsche Hersteller und Zulieferer geworden", so Schadt gegenüber dem KURIER.
Sein Vorschlag: Frühwarnsysteme, flexible Lieferketten, permanente Krisenteams – und vor allem eine neue Denkweise schon beim Fahrzeugdesign. Denn: Nach Serienstart seien Änderungen teuer und langsam, heißt es weiter.
Der nächste Crash ist programmiert – wenn nicht rasch gehandelt wird, drohen erneut Milliardenverluste und leere Werkshallen.