Sein Frust wächst täglich. Ivica J. wohnt in der Wiener Seestadt, er ist hier einer von 12.000 Bewohnern. "Können Sie sich den Kampf um einen Parkplatz vorstellen?", sagt er zu "Heute", "im schlimmsten Fall drehe ich drei Runden mit dem Auto, das dauert etwa 25 Minuten."
Sollte der 54-jährige Donaustädter auch in dieser Zeit keinen Parkplatz gefunden haben, fährt er – wieder einmal – in die kostenpflichtige Parkgarage. Nach seinen harten Arbeitstagen kurvt er suchend um die Häuser. "Aber am schlimmsten ist das Wochenende – eine Katastrophe. Ab Freitag lasse ich meistens für das ganze Wochenende das Auto stehen. Egal wo. Auch ganz weit weg", sagt der Peugeot-Fahrer resigniert.
Die freien Parkplätze sind in dieser Siedlung in Aspern absichtlich sehr knapp gehalten. Ivica J. rechnet vor: "Meine Stiege hat sieben Stockwerke, in jedem gibt es acht Wohnungen." Das macht also 56 Haushalte mit – im Schnitt – jeweils einem Fahrzeug. Vor der Tür sind dafür genau sechs Parkplätze. Und noch viel mehr Autolenker kämpfen um diese raren Flächen: "Es gibt hier insgesamt fünf Häuser."
Das Wettrennen um die Parkplätze ist hart, erzählt der Bewohner. Manchmal hilft ein kleiner Trick: "Wir haben vor dem Haus eine Zone mit zwei Parkplätzen, in denen man zwischen 8 und 18 Uhr nicht stehen darf". Wenn es sich ausgeht, versucht J. – der auf der anderen Seite der Stadt, in Liesing, arbeitet – genau um 18 Uhr anzukommen, um einen der Plätze zu ergattern. Wenn er später kommt, muss er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wieder Geld in die Parkgaragen-Kassa einzahlen.
An sich würde der Familienvater für einen Garagenplatz zahlen – das sind etwa 100 Euro pro Monat. Was ihn daran hindert: "Ich muss mir ja trotzdem ein Parkpickerl kaufen." Für jede Erledigung, jeden Einkauf oder Besuch von Freunden im Bezirk müsste er ja sonst einzelne Kurzparkscheine lösen, "ich bin nicht bereit zweimal zu bezahlen – das ist zu viel!"
Die Verwaltung der Seestadt konfrontieren wir mit der Schilderung des Lesers: "Die Mobilitätsstrategie der Seestadt verfolgt das Ziel, mobilisierten Individualverkehr zu reduzieren, kurze Fußwege zu Einstiegsstellen in das öffentliche Wiener Verkehrssystem zu ermöglichen und möglichst viel Bewegungs- und Aufenthaltsraum für die Seestädter*innen zu schaffen." Dazu gehöre eben auch, so die Sprecherin zu "Heute", dass "das Parken hauptsächlich in Sammelgaragen und nicht im öffentlichen Raum stattfindet."
Zweimal wird betont, dass die Bewohner von diesem Konzept im Voraus informiert werden: "Außerdem ist diese Information auch in unseren Erstinfos für Wohnungsinteressierte enthalten, die wir den Bauträgern zur Weitergabe zur Verfügung stellen, sowie in der Willkommensbroschüre."
Ivica J. dazu: "Uns hat niemand gesagt, dass es eine autofreie Zone ist." Dann fragt er noch: "Wer hat denn heute kein Auto? Wir sind eine Familie, meine Frau und ich haben zwei Söhne, wir brauchen das Fahrzeug."
Die Bewohner wissen es längst, die Parksituation wird noch prekärer: Bis 2030 sollen mehr als 25.000 hier leben – also doppelt so viele Einwohner.
Ivica J. sagt zum Abschluss unseres Gesprächs: "Es ist ein Aufruf an alle Menschen, die hierher ziehen wollen – sie sollen es sich sehr genau überlegen."