KI-Blocker

ChatGPT und Co. zapfen Inhalte ab – und sollen zahlen

Bisher holten KIs wie ChatGPT, Gemini oder Claude gratis Inhalte aus dem Netz. Jetzt führt Cloudflare eine Gebühr ein. Wer Infos will, soll zahlen.
13.07.2025, 20:10
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KI-Programme wie ChatGPT greifen auf Tausende von Webseiten zu, um Daten zu sammeln oder Antworten zu generieren – aber sie leiten fast nie echte Nutzer auf diese Seiten weiter. Laut dem Unternehmen Cloudflare ruft der Crawler von OpenAI (der Firma hinter ChatGPT) 1700 Seiten auf, bevor er nur einen einzigen Nutzer weiterleitet. Bei einer anderen Firma, Anthropic (Claude.ai), beträgt das Verhältnis 73.000 Seiten pro Weiterleitung. Google liegt laut Cloudflare bei einem Klick pro 18 Zugriffen.

Was ist ein Crawler?

Ein Crawler (auch Web-Crawler oder Bot genannt) ist ein automatisiertes Computerprogramm, das das Internet systematisch durchsucht. Es besucht Webseiten, extrahiert Inhalte und folgt Links zu weiteren Seiten – ähnlich wie ein Scanner, der Dokumente abtastet.

Wozu dient er?

Suchmaschinen wie Google verwenden Crawler, um Webseiten zu indexieren und Suchergebnisse aktuell zu halten. KI-Systeme wie ChatGPT nutzen sie, um Daten zu sammeln und Modelle zu trainieren, damit sie fundierte Antworten geben können.

Verlage und Webseitenbetreiber kritisieren, dass sie Inhalte liefern, ohne etwas zurückzubekommen. Werbeanzeigen lohnen sich weniger, Abonnenten bleiben aus.

Neue Einnahmequelle für große Plattformen

Seit dem 1. Juli 2025 läuft das System in einer privaten Beta. Für ausgewählte Kunden blockiert Cloudflare bereits standardmäßig alle KI-Zugriffe. Bestehende Kunden können die Funktion manuell aktivieren.

"Pay per Crawl" – was heißt das?

Pay per Crawl ist ein neues Bezahlmodell im Internet.

Webseiten-Betreiber können festlegen, dass KI-Firmen oder Suchmaschinen für das automatische Durchsuchen (Crawlen) ihrer Inhalte eine Gebühr zahlen müssen.

So behalten die Inhaber von Webseiten mehr Kontrolle darüber, wer ihre Inhalte nutzt – und können damit sogar Geld verdienen.

Das Modell ist besonders relevant, wenn große Unternehmen Inhalte für künstliche Intelligenz oder Suchdienste verwenden möchten.

Kurz gesagt: "Pay per Crawl" ist wie eine Eintrittsgebühr für KI-Crawler, die Inhalte sammeln wollen.

Betreiber müssen sich entscheiden: Zugriff gewähren, KI blockieren oder eine Gebühr verlangen. Das Geld zieht Cloudflare ein und leitet es weiter. Mehr als 50 große Plattformen – darunter Time, Reddit, Buzzfeed – unterstützen das Modell.

Was das für dich als User bedeutet

Nutzerinnen und Nutzer merken davon noch wenig – doch das kann sich bald ändern. Wer ChatGPT, Google oder andere KI-Tools verwendet, wird die Folgen zu spüren bekommen:

  • Antworten werden schlechter: Wenn KIs auf wichtige Inhalte keinen Zugriff mehr haben, leidet die Qualität der Antworten – besonders bei aktuellen Themen.
  • KI bevorzugt, was verfügbar ist – nicht, was qualitativ überzeugt: Was frei zugänglich ist, dominiert: Blogs, Foren und PR-Seiten verdrängen professionelle Inhalte.
  • Gratisangebote schrumpfen: Wenn Firmen mehr zahlen müssen, landen die Kosten oft bei den Nutzern – bei KI über Abo-Modelle oder reduzierte Gratisversionen.

Was KIs wissen – und was sie weitergeben –, wird zur Geldfrage.

Kritik von SEO-Berater

Der US-amerikanische SEO-Experte Bill Hartzer sieht das System kritisch: "Für 99 Prozent der Webseiten ist das eine Traffic-Falle, verkleidet als Einnahmequelle." Nur große Seiten könnten es sich leisten, Gebühren zu erheben. Kleinere Anbieter riskieren, von KI-Systemen ignoriert zu werden. Hartzer rät ihnen, den Zugriff freizugeben, um sichtbar zu bleiben.

Ringier will bei KI-Suchen sichtbar bleiben

Das Medienhaus Ringier erlaubt Anbietern wie OpenAI den Zugriff auf Inhalte – aber nur mit Zustimmung. "Wir sehen von einer technischen Abschottung gegen Crawler ab – dies allerdings nur mit expliziter Zustimmung. So ist es in unseren AGBs geregelt", teilt Ringier mit.

Für das Unternehmen ist es wichtig, in der neuen Welt der KI-gestützten Suche präsent zu sein. "Es ist unser Ziel, von Algorithmen als relevant eingestuft zu werden." Man beobachte die Entwicklung international und passe die Position bei Bedarf an.

TX Group setzt auf Schutz journalistischer Inhalte

Die TX Group begrüßt neue technische Möglichkeiten wie das Cloudflare-Modell. "Durch die rasanten Entwicklungen auf dem KI-Markt ist es erfreulich, dass immer mehr Optionen entstehen – sei es über direkte Abkommen mit KI-Anbietern oder über Tools wie 'Pay per Crawl'", teilt das Unternehmen mit.

Eine Beteiligung sei Sache der einzelnen Medienhäuser. "Die TX Group unterstützt 20 Minuten und Tamedia bei der Entscheidungsfindung – der Schutzentscheid liegt aber bei den Titeln selbst." Man beobachte den Markt intensiv und teste laufend neue Ansätze, um ungewollte KI-Nutzung zu verhindern.

KI-Training mit Web-Inhalten bewegt sich in Grauzone

Laut dem Schweizer Urheberrechtsexperten Raphael Zingg braucht das massenhafte Sammeln von Webinhalten durch KIs grundsätzlich eine Zustimmung: "Data-Scraping ist eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung." Ob auch das Trainieren von KI-Modellen darunter fällt, ist juristisch umstritten. Viele Fachleute in der Schweiz halten eine Lizenz für notwendig – ein Konsens besteht aber nicht.

Technische Sperren wie 'robots.txt' seien rechtlich nicht bindend: "Das ist ein Ehrenkodex – aber kein wirksamer Schutz."

Musikbranche sieht kaum Chancen

Auch die Schweizer Verwertungsgesellschaft SUISA beurteilt das Cloudflare-Modell differenziert. Für Webseiten mit literarischen oder journalistischen Inhalten sei es eine wirksame Maßnahme. Für Musik hingegen bringe es wenig, da Songs dezentral auf vielen Plattformen veröffentlicht werden. Ein einzelner Block nütze da kaum. SUISA fordert stattdessen klare rechtliche Vorgaben, internationale Regeln – und nötigenfalls politische Vorstöße oder Gerichtsprozesse.

Regulierung möglich

Weil Cloudflare als Zahlungsabwickler fungiert und den Zugang kontrolliert, sehen Kritiker eine mögliche Machtkonzentration. Die EU prüft laut Medienberichten, ob das Unternehmen unter dem Digital Markets Act (DMA) in Zukunft als sogenannter Gatekeeper reguliert werden muss.

Was sind Gatekeeper?

Ein Gatekeeper ist ein Unternehmen, das im Internet eine besonders wichtige Vermittlerrolle einnimmt. Es sorgt dafür, dass andere Unternehmen oder Nutzer Zugang zu bestimmten digitalen Diensten oder Plattformen bekommen – oder eben nicht. Gatekeeper können dadurch grossen Einfluss auf den Markt und die Auswahlmöglichkeiten der Nutzer haben.

Widerstand von OpenAI

OpenAI lehnt das Modell in der aktuellen Form ab. Das Unternehmen ist grundsätzlich bereit, für Inhalte zu zahlen – will aber nicht über Cloudflare verhandeln. Es bevorzugt direkte Absprachen mit den Inhalteanbietern.

{title && {title} } red,20 Minuten, {title && {title} } 13.07.2025, 20:10
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