Es ist ein entscheidender Moment im Nahost-Konflikt: Am Montag sind alle noch lebenden Geiseln freigekommen. Maßgeblich daran beteiligt war der US-Präsident Donald Trump. Dass er geschafft hat, woran sein Vorgänger Joe Biden gescheitert ist, liegt an einer Vielzahl von Faktoren, betont der Nahost-Experte Peter Lintl gegenüber "20 Minuten". Die folgenden vier Faktoren dürften entscheidend gewesen sein:
Trump pflegt enge Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanyahu. Zwar hatte auch Biden langjährige Kontakte zu Israel, doch nicht denselben Einfluss, erklärt Lintl. "Biden war durch die Opposition der Republikaner unter Druck und scheute davor zurück, den Handlungsspielraum, den er hätte ausüben können, vollständig einzusetzen", sagt Lintl. Trump hingegen verfüge über deutlich mehr Spielraum in der Nahostpolitik.
Ein weiterer Unterschied sei das Machtverhältnis zwischen Trump und Netanyahu. "Trump hat sich unter Staatschefs den Ruf eines Unberechenbaren erarbeitet", so Lintl. Jeder wisse, dass er auch gegenüber Partnern hart auftreten und sie öffentlich kritisieren könne. "Biden konnte diesen Druck nie entfalten."
Ein entscheidender Wendepunkt für den US-Präsidenten war laut mehreren Trump-Beamten gegenüber CBS der israelische Angriff auf Katar. "Auch für viele arabische Staaten war damit eine rote Linie überschritten", so Lintl. Das führte zu massiver Kritik – unter anderem mit der Drohung, das Abraham-Abkommen aufzukündigen.
Trump, der geschäftliche Verbindungen zu Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterhält, musste daraufhin entschlossen reagieren. Als sich abzeichnete, dass die Golfstaaten tiefer in den Konflikt eingreifen könnten, habe er maximalen Druck für ein Friedensabkommen ausgeübt – wohl nicht nur auf Israel, sondern über seine Beziehungen mit den Golfstaaten auch auf die Hamas.
Auch die internationale Politik spielte eine Rolle. "Das globale Momentum hat Trump erst ermöglicht, so zu handeln", sagt Lintl. Mehrere europäische Staaten kündigten an, Israels Vorgehen in Gaza nicht länger vorbehaltlos zu unterstützen. Diese Distanzierung habe sowohl Israel als auch Trump unter Zugzwang gesetzt. "Trump sagte dem israelischen Präsidenten selbst: ‹Bibi, you can’t fight the whole world.›" Die weltweite Einigkeit, dass der Krieg enden müsse, habe letztlich den Weg für das Abkommen bereitet.
Neben Beziehungen und Verhandlungsgeschick von Trump spielte laut dem Experten auch der Zeitpunkt eine zentrale Rolle. Während Bidens Amtszeit war Israel nicht bereit, Frieden zu schließen. Acht Monate nach Beginn von Trumps zweiter Amtszeit hatte sich die Lage jedoch verändert: Der Iran war geschwächt, die Hisbollah im Norden stark dezimiert und Gaza weitgehend zerstört. Israel zeigte sich plötzlich gesprächsbereiter.
Auch innenpolitisch passte der Moment. "In Israel stehen Neuwahlen bevor, und die Zeit wird knapp", erklärt Lintl. "Netanyahu wird nun versuchen, das Kriegsende als seinen Erfolg zu verkaufen – als den Moment, in dem er alle Kriegsziele erreicht hat. Und natürlich an der Seite von Trump."
Obwohl Trumps Persönlichkeit und Stil entscheidend waren, lagen die zentralen Inhalte des Friedensplans laut dem Experten längst auf dem Tisch. "Auch mit Biden wäre wohl irgendwann ein Waffenstillstand gekommen", sagt Lintl. Doch Trump habe die Rolle des "Friedensstifters" angeboten – und sie schließlich mit echtem Interesse für Frieden, aber auch mit Eigeninteressen angenommen. "Es war eine gelungene diplomatische Offensive – die aber nicht allein auf Trumps Bemühungen zurückgeht."