Klimaschutz

Demo gegen Steuerreform – "Weder öko noch sozial"

Die "Fridays for Future"-Bewegung ist mit den Steuerreform-Plänen der türkis-grünen Regierung unzufrieden und protestiert österreichweit.

Lydia Matzka-Saboi
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Fridays for Future-Demo am Wiener Heldenplatz. Das mediale Interesse rund um die Regierungskrise ist am benachbarten Ballhausplatz wesentlich höher.
Fridays for Future-Demo am Wiener Heldenplatz. Das mediale Interesse rund um die Regierungskrise ist am benachbarten Ballhausplatz wesentlich höher.
Heute/Sabine Hertel

Sie gilt als Herzstück der türkis-grünen Regierung: Die ökosoziale Steuerreform. Ihre Eckpunkte wurden kürzlich präsentiert. Ab Juli 2022 wird es in Österreich einen CO2-Preis in der Höhe von 30 Euro je Tonne geben, bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen. Um den CO2-Preis sozial abzufedern, wird es einen "Klimabonus" geben. Außerdem soll sauberes Heizen gefördert werden. So die Pläne der (Noch-)Regierung.

"Ich hätte mir einen höheren Einstiegspreis gewünscht", kommentiert der Klimaökonom Karl Steininger das Verhandlungsergebnis. Insgesamt sei für ihn wichtig, "dass überhaupt ein System steht". Kostenwahrheit sei durch den Preis "in keiner Weise" erreicht, kommentiert der Klimaökonom Stefan Schleicher das Ergebnis. 

"Wie auch immer es innenpolitisch weitergeht: die Steuerreform muss neu verhandelt werden", fordert Fridays for Future.

CO2-Preis zu gering – Steuerreform ohne Wirkung auf Klimaschutz

Nicht nur Klimaforscher und Umweltschutzorganisationen sind vom Verhandlungsergebnis enttäuscht, auch führende Wirtschaftsunternehmen fordern einen höheren Einstiegspreis (welcher sich zumindest am internationalen Preis von 60 Euro die Tonne CO2 orientieren soll) sowie einen ambitionierteren Pfad bei der CO2-Bepreisung.

"Wir wollen nicht wieder auf Bäumen klettern oder zurück in die Steinzeit", sagt der frühere Verbund-Chef und Vorstand des Vereins "CEOs for Future" Wolfgang Anzengruber. "Wir halten eine angemessene Bepreisung von CO2 für alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft aus ökonomischer Sicht für unumgänglich!"

Protestkundgebungen gegen die Steuerreform – Wird es die Reform überhaupt geben?

Die "Fridays for Future"-Bewegung hat für Freitag Abend zur Demo am Heldenplatz aufgerufen. Protestiert wurde österreichweit – in Linz, Graz, Salzburg und Wien. Die Steuerreform müsse dringend – noch vor der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel am 13. Oktober – nachgebessert werden. In Wien wurde die Demo aufgrund der türkis-grünen Regierungskrise kurzfristig vom Ballhausplatz auf den Heldenplatz verlegt.

Wird die Budgetrede von Bundesminister Gernot Blümel überhaupt stattfinden oder platzt bald die nächste Regierungskoalition, noch bevor eine Steuerreform überhaupt beschlossen werden kann? "Heute" hält Sie auf dem Laufenden!

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    Fridays for Future-Demo am Wiener Heldenplatz. Das mediale Interesse rund um die Regierungskrise ist am benachbarten Ballhausplatz wesentlich höher.
    Fridays for Future-Demo am Wiener Heldenplatz. Das mediale Interesse rund um die Regierungskrise ist am benachbarten Ballhausplatz wesentlich höher.
    Heute/Sabine Hertel

    Steuerreform "weder sozial noch ökologisch"

    Die kürzlich präsentierte Steuerreform sei weder sozial noch ökologisch, lautet die Kritik. Nicht wie ursprünglich angekündigt mit 1. Jänner, sondern erst ab 1. Juli 2022 kommt die CO2-Bepreisung. Im ersten Jahr wird bei Inverkehrbringern fossiler Brennstoffe ein Preis von 30 Euro je Tonne eingehoben. Der Wert steigt im Jahr 2023 um fünf Euro und anschließend um jährlich zehn Euro. 2025 soll er dann 55 Euro je Tonne CO2-Äquivalent ausmachen.

    Um einen sozialen Ausgleich zu schaffen, hat die Regierung zudem einen "Klimabonus" angekündigt. Die geplante Förderung funktioniert nach einem Gießkannenprinzip: Wer in einer Gemeinde mit einer vermeintlich schlechteren Öffi-Anbindung lebt, bekommt bis zu 200 Euro im Jahr. Wienerinnen und Wienern erhalten 100 Euro. Kinder jeweils die Hälfte. Die Benachteiligung Wiens beim "Klimabonus" führte zu heftiger Kritik. 

    Ab 2026 wird  außerdem ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt. Das System soll all jene Unternehmen einschließen, die nicht bereits im Handelssystem der EU erfasst sind. Konkrete Details sind bisher nicht bekannt.

    Für Kritik sorgte auch die Tatsache, dass weiterhin nicht an klimaschädlichen Subventionen und Förderungen gerüttelt wird. Sowohl das Dieselprivileg wie auch das Pendlerpauschale bleiben bestehen. "Neben einer CO2-Bepreisung braucht es unbedingt auch den Abbau umweltschädlicher Subventionen von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr. Denn mit der Finanzierung von Umweltzerstörung befeuert die Politik derzeit nicht nur die Klimakrise, sondern auch den viel zu hohen Natur- und Bodenverbrauch", sagt Volker Hollenstein, Politischer Leiter beim WWF Österreich.

    Proteste richten sich (noch) an Bundeskanzler Kurz

    Auch Philipp Steininger von Fridays for Future vermisst den politischen Lenkungseffekt der geplanten ökosozialen Steuerreform: "Wissenschaftlich ist klar, dass so die Klimaziele nicht erreicht werden können und schon lange keine Kostenwahrheit hergestellt werden kann." Das Adjektiv "ökosozial" habe diese Steuerreform jedenfalls nicht verdient.

    Aufgrund der jüngsten innenpolitischen Ereignisse rund um die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen engsten Kreis wurde die Fridays for Future-Demo auf den Heldenplatz verlegt. Die Veranstaltung ist mit Reden u.a. von Klimawissenschaftlern (Scientists for Future) und Musik noch im Gange.

    "Wir wissen zwar nicht, ob Kanzler Kurz noch der richtige Adressat für unseren Protest ist", erläutert Philipp Steininger von Fridays for Future Wien. "Gleichzeitig ist die von der Regierung angekündigte Steuerreform eine große Enttäuschung für die junge Generation. Wie auch immer es innenpolitisch weitergeht: die Steuerreform muss neu verhandelt werden!"

    Das Wochenende bis zur Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag bleibt jedenfalls innenpolitisch spannend. Am Dienstag entscheidet sich, ob ein Misstrauensantrag erneut einer Bundesregierung das Amt kosten wird. Damit steht und fällt wohl auch die geplante Steuerreform.