Bereits mehrmals gerieten Personen in Top-Posten in Österreich unter Verdacht, brisante Informationen direkt oder indirekt an den Kreml weitergegeben zu haben. Mitte September etwa wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter der OMV ins Visier der Behörden geraten ist. Er soll sich wiederholt mit einem russischen Diplomaten getroffen haben, der im Verdacht steht, ein Agent des russischen Geheimdienstes FSB zu sein. Wie "Profil" berichtete, wurden bei einer Hausdurchsuchung beim OMV-Mitarbeiter zahlreiche interne Unterlagen sichergestellt.
Auch im österreichischen Staatsschutz brodelt es. Ex-Mitarbeiter der damals noch Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung betitelten Behörde (heute Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) stehen ebenfalls unter Verdacht, geheime Informationen an den Kreml weitergeleitet zu haben. Ein Kenner der Materie ist der russische Journalist und Geheimdienstexperte Alexei Soldatow – und er packte sein Wissen am späten Donnerstagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Margit Laufer aus.
Es gebe "genügend Beweise dafür", dass die illegalen Drohnenaktivitäten in ganz Europa eine russischen Handschrift tragen würden, so Soldatow. Europa habe aktuell keine Strategie, wie man dagegen vorgehen könne: "Der Kreml dreht offenbar an der Eskalationsschraube." Das Ziel könnte sein, die öffentliche und staatliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. "Die Demokratie in Europa soll auf diese Weise unterminiert werden", so Soldatow. "Man trägt diesen Krieg nach Europa", indem man versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Es sei eine Fortsetzung der Taktik, die Russland die jüngsten Monate in der Ukraine angewandt habe: Zivile Objekte anzugreifen, damit die Ukraine und die europäischen Länder "einen sehr hohen Preis dafür bezahlen" müssten, "wenn sie sich gegen die Aggression des Kreml wenden". Man setze auf eine Zermürbungstaktik und hoffe, dass die Menschen die Regierungen ihrer Länder infrage stellen, wenn der Druck nur hoch genug sei.
Massenausweisungen von mutmaßlichen russischen Spionen aus Ländern Europas habe dafür gesorgt, dass der Kreml nun auch auf Kriminelle und nicht nur auf Diplomaten und Botschaftspersonal setze. "Man muss diese Leute auch nicht ausbilden, man findet sie leicht und die Bedrohung ist groß und schwer zu erfassen", so Soldatow. Fälle wie jener des österreichischen Managers Jan Marsalek, der als Agent russischer Nachrichtendienste tätig gewesen sein soll und geflohen war, seien jedenfalls "kein Einzelfall", so der Experte.
Es sei eine "neue Taktik", die russischen Nachrichtendienste hätten sich "anpassen" müssen, erklärte der Experte im ORF. "Die österreichischen Nachrichtendienste hatten immer ein problematisches Verhältnis zur Spionageabwehr und müssen jetzt klar definieren, was eine Bedrohung der österreichischen Souveränität darstellt", hieß es. Die Gesetze müssten angepasst werden, weil sie zu lasch seien, außerdem brauche es mehr internationale Zusammenarbeit mit europäischen Nachrichtendiensten, so Soldatow. "Österreich ist nicht sicher. Wenn ich nach Österreich reise, dann treffe ich Vorkehrungen."