Drohnen-Invasion

Deutsche Studenten enttarnen geheime Drohnen-Verbindung

Deutsche Studenten haben die Spur verdächtiger Drohnen-Zwischenfälle zu mehreren Schiffen zurückverfolgt und dabei ein klares Muster aufgedeckt.
Newsdesk Heute
13.12.2025, 12:15
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Von diesen beunruhigenden Zahlen sollte die Öffentlichkeit nie etwas erfahren: Allein im Jahr 2025 (Stand: 19. November) haben die deutschen Behörden 1.072 Vorfälle mit 1.955 Drohnen registriert. Knapp die Hälfte davon ereignete sich in den Abendstunden.

Die Drohnen sorgen nicht nur für Chaos auf Flughäfen – allein Frankfurt war 43 Mal betroffen –, sie spionierten systematisch die Bundeswehr aus.

"Komplexe Operationen"

Drohnenschwärme flogen "fast ausschließlich über oder in der Nähe von militärischen Einrichtungen", heißt es in internen Dokumenten des deutschen Bundeskriminalamts. Und das oft, während dort sensible Operationen im Gange waren.

Der Drohnentyp blieb meist ebenso unbekannt, wie die Identität des Piloten. In knapp 500 Vorfällen wurde ermittelt, doch davon konnte nur bei jedem zwanzigsten der Pilot ausfindig gemacht werden. In keinem dieser aufgeklärten Fälle handelte es sich um staatliche Akteure.

Aber: "Einzelne Vorfälle deuten auf komplexe Operationen hin, für die umfangreiche finanzielle und logistische Ressourcen erforderlich sind", so die Einschätzung des BKA dazu. Heißt im Klartext: Nur mit Hobbypiloten lassen sich die Drohnen-Schwärme nicht erklären.

Gleichzeitig mit den Drohnenvorfällen wurden allerdings verdächtige Bewegungen von Schiffen in der Nord- und Ostsee aufgezeichnet.

Behörden mauerten

Diese geheimen Daten haben nun sieben Journalismus-Studenten der Axel Springer Academy öffentlich gemacht. Das Team hatte im Zuge einer Recherche zu dem Thema mehrere Presseanfragen an die offiziellen Stellen gestellt, sei jedoch immer abgewiesen worden. Die Behörden hätten gemauert. Die Antwort, wo sie eine erhielten, sei immer dieselbe gewesen, schildern die Jung-Reporter bei der Präsentation ihrer Ergebnisse.

"Wir waren in einem bürokratischen Labyrinth gefangen. Die Bundesländer schlossen sich zusammen. Niemand fühlte sich verantwortlich. Wir wurden von einem Sprecher zum nächsten weitergereicht", erzählt Mitglied Michèle Borcherding. "Es fühlte sich an, als wüsste die linke Hand nicht, was die rechte tat."

Das habe sie aber bei ihrer Recherche noch mehr angespornt. So gelangte das Team schließlich an die geheimen BKA-Dokumente.

Sie waren ein wichtiger Teil des Puzzles. Das Zweite waren 10.000 Datenpunkte aus den verpflichtenden automatischen Positionsaufzeichnungen (AIS) von Schiffen in der Nord- und Ostsee. Damit gelang den sieben Studenten, eine Spur zu den mutmaßlichen Drahtziehern der Drohnen-Invasion aufzudecken.

Drei Schiffe identifiziert

Weil Handelsschiffe normalerweise auf schnellstem Weg ihren Zielhafen ansteuern, stachen drei Schiffe besonders hervor:

Die "HAV Dolphin" zeigte zwischen 1. und 10. Mai 2025 chaotische Bewegungen in der Kieler Bucht. Während dieser Zeit wurden bei etwa 25 Kilometer entfernten militärischen Werfanlagen immer wieder Drohnen gesichtet.

Die HAV Dolphin segelt unter der Flagge des Karibik-Inselstaats Antigua und Barbuda. Ihre Crew ist komplett aus Russland.
APA-Images / Lehtikuva / Antti Aimo-Koivisto

Die "Lauga" wurde in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai von der deutschen Küstenwache durch die Nordsee eskortiert, als gegen 1 Uhr nachts plötzlich sieben Drohnen auftauchten und beide Schiffe stundenlang umkreisten. Während drei davon später abdrehten, führten vier der Drohnen das Manöver fort, bis sich das Küstenwache-Schiff "Potsdam" zurückzog.

Die HAV Snapper fährt unter der Flagge der Bahamas.
IMAGO/Zoonar

Darin mutmaßlich ebenfalls involviert war die "HAV Snapper". Am Abend des 16. Mai segelte sie hinaus in die Nordsee und hielt zwei Stunden vor dem Auftauchen der Drohnen bei der Lauga an einer Position vor der westfriesischen Insel Schiermonnikoog, etwa 115 Kilometer entfernt. Dort blieb sie dann auch für vier Tage.

Spur führt zu Rosatom

Die drei Schiffe haben noch einiges gemeinsam. Die Mannschaft bestand in allen Fällen aus russischen Männern. Alle drei hatten sich zuvor für längere Zeit in russischen Seehäfen aufgehalten. Die Lauga hatte beispielsweise im Sommer 2024 bei Putins U-Boot-Basis im syrischen Tartus geankert und fuhr nach dem Drohnen-Zwischenfall nach St. Petersburg weiter.

Zwar segeln alle drei Schiffe unter nicht-russischer Flagge, doch ihre Dokumente und Eigentümer-Historie führten immer wieder nach Russland. Genauer zu Rosatom — Russlands staatliches Atomunternehmen, zuständig für Atomwaffen und das U-Boot-Programm. Zu Rosatom gehört auch die Atomflot-Flotte von nukleargetriebenen Eisbrechern.

Selbst auf die verwendeten Drohnen gibt es einen Hinweis in einer Rosatom-Präsentation von 2024. Dort wird eine Langstrecken-Drohne mit Senkrechtstart-Fähigkeit auf dem Hubschrauberlandeplatz eines der riesigen Eisbrecher gezeigt. Die angegebene Reichweite: mehr als 200 Kilometer.

"Wir haben zurück-gedrohnt"

"An diesem Punkt war uns klar, wir müssen eines dieser Schiffe mit eigenen Augen sehen", so sagt Borcherding. Sie lokalisierten die "HAV Dolphin" in einem französischen Atlantik-Hafen und machten sich sofort auf den Weg. Es folgte eine 2.500 Kilometer lange "Verfolgungsjagd".

Das Schiff habe sich "unberechenbar" verhalten. Es verließ den Hafen frühzeitig, manchmal kroch es im Schneckentempo dahin, dann beschleunigte es wieder plötzlich. An die gemeldeten Zieldaten hielt es sich nicht. So kam die "Dolphin" nie in Antwerpen an, stattdessen stoppte sie nahe Ostende vor der belgischen Küste.

Sie fing erneut zu kreisen an – knapp 25 Kilometer von einer belgischen Militärbasis entfernt. Dort wurde sie von den deutschen Studenten eingeholt und selbst aus der Luft beobachtet. "Wir haben zurück-gedrohnt", erzählen sie amüsiert.

Petter Kleppan, Chef der norwegischen Reederei HAV, streitet eine Putin-Connection mit deutlichen Worten ab: "Wir haben keine russischen Kunden und erzielen keine Einnahmen aus Russland. HAV transportiert keine Güter zu oder von russischen Kunden und arbeitet nicht mit russischen Händlern zusammen."

Starke Korrelation

"Unsere Spur führt nach Russland", lautet das Fazit des Teams. "Das ist zwar nicht zweifelsfrei, aber derzeit die wahrscheinlichste Erklärung." Die geheimen BKA-Berichte und die Routen der Schiffe würden das nahelegen.

Am Ende konnten die sieben Deutschen 19 zeitliche und geografische Zusammenhänge zwischen Drohnensichtungen und den Positionen der drei Schiffe herstellen. Bei Drohnen-Vorfällen über Norddeutschland wurde auch ein Muster sichtbar: Oftmals zeigten gleich mehrere Schiffe über mehrere Tage hinweg verdächtiges Verhalten.

Es bleibt bei dieser starken Korrelation. Einen Kausalzusammenhang kann das Team allerdings nicht beweisen.

Denn trotz mehrerer Kontrollen durch Behörden wurden auf keinem der Schiffe Drohnen gefunden. Allerdings, so wird hervorgehoben, waren diese Überprüfungen laut BKA nur "symbolischer Natur" und "oberflächlich". Es seien längst nicht alle geladenen Container geöffnet worden. Das hätte mehr Zeit und Kräfte erfordert.

Geheimdienst: "Wegwerf-Agenten"

Auch ob die jungen Russen an Bord für Spionage angeheuert wurden, kann nicht bewiesen werden. Allerdings ist schon länger bekannt, dass sogenannte Low-Level-Agenten für Spionage, Sabotage und andere störende Maßnahmen von russischen Geheimdiensten in anderen Ländern eingesetzt werden.

Das Rekrutierungsprofil: junge Männer mit instabilen sozialen Verhältnissen und finanziellen Schwierigkeiten.

Diese "Wegwerf-Agenten" würden für geringe Summen einfache Operationen durchführen, ohne selbst Teil des Geheimdienstes zu sein, erklärt der deutsche Verfassungsschutz: "Im Gegensatz zu regulären Mitarbeitern sind sie entbehrlich – ihre Enttarnung wird als Preis für die Ausübung ihrer Tätigkeit in Kauf genommen."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 13.12.2025, 12:36, 13.12.2025, 12:15
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