Oliver Glasner schreibt auf der Insel weiter Fußball-Geschichte. Nach dem sensationellen FA-Cup-Triumph über Manchester City und dem Community-Shield-Sieg gegen Liverpool rang der Riederauer jüngst Chelsea zum Ligastart ein 0:0 ab – schrammte mit einem umstritten aberkannten Tor sogar am Sieg vorbei.
Eine Statistik bringt die Leistungen von Glasner auf den Punkt und hinterlässt britische Experten gelinde gesagt verblüfft. Mit Crystal Palace ist der ÖFB-Trainer seit mittlerweile zehn Pflichtspielen ungeschlagen – und das bei absoluten Top-Adressen wie Chelsea, Arsenal, Liverpool, Tottenham und Manchester City.
Während andere Klubs dreistellige Millionensummen in neue Stars pumpen, stellt Glasner Woche für Woche die englischen Giganten bloß. Palace investierte im Sommer gerade einmal 2,3 Millionen Euro in Neuzugänge – einzig Linksverteidiger Borna Sosa kam. Zum Vergleich: Liverpool (340 Mio.), Chelsea (280), Manchester United (230) und Arsenal (224) rüsteten ihre Kader gnadenlos auf. Tottenham ist kurz davor, sich Glasners großen Star, Eberechi Eze, um 60 Millionen zu schnappen. Nur Fulham gab mit 0,5 Millionen noch weniger aus.
Schon im Mai besiegte Glasner mit seinem Team im FA-Cup-Finale das Star-Ensemble von Manchester City. Im August folgte der nächste Coup: Community Shield gegen Liverpool – ebenfalls mit 2:2 und anschließend gewonnenem Elferschießen. Beide Titel holte er mit derselben Startelf – ein Fingerzeig, wie stabil und eingespielt diese Mannschaft mittlerweile ist.
Doch die Serie reicht weiter: 2:2 bei Arsenal, 2:0 bei Tottenham, 1:1 in Anfield, nun zum Liga-Auftakt ein starkes 0:0 bei Chelsea. Glasner vertraut dabei auf eine enge, verschworene Einheit.
Umso prekärer wirkt die Lage hinter den Kulissen: Kapitän Marc Guehi, heiß umworben von Liverpool, ignorierte Glasner nach Schlusspfiff in London demonstrativ und verschwand wortlos in die Kabine. Sein Vertrag läuft nur mehr ein Jahr, er hat signalisiert, nicht verlängern zu wollen. Guehis jüngstes Verhalten deutet darauf hin, dass er lieber schon jetzt als erst nächsten Sommer den Absprung schafft.
Offensivmann Eze winkte verdächtig lange und bedächtig in die Fan-Kurve – ein stiller Abschied Richtung Tottenham, wo die Verhandlungen bereits weit fortgeschritten sind. Mit dem Spieler selbst sind sich die Spurs schon einig.
Glasner fordert mehr Unterstützung, bleibt aber diplomatisch. "Es geht nicht um mich", wiegelte er vor dem Chelsea-Spiel Fragen nach fehlender Transfer-Ambition ab. Doch intern ist klar: Ohne Nachschub wird die Belastung für seine kleine Stamm-Elf enorm.
Die Angst geht um, dass Palace denselben Fehler wiederholt wie 1991. Damals belegten die "Eagles" Rang drei in der First Division – die Klubführung aber sparte, setzte auf zweitklassige Zugänge und rutschte zwei Jahre später in die Bedeutungslosigkeit ab.
Und: Palace riskiert neben seinen Stars auch seinen großen Erfolgs-Architekten zu verlieren. Dass Glasner längst heiß begehrt ist, sollte dem Klub spätestens seit dem Abwerbeversuch der Bayern kurz nach Amtsantritt klar sein. Damals hatte Glasner Bereitschaft für einen Wechsel an die Säbener Straße signalisiert. Der Klub ließ ihn nicht ziehen.
Für Glasner ist es ein Déjà-vu: Schon bei Eintracht Frankfurt führte er einen Außenseiter zu internationalen Höhenflügen. Jetzt trotzt er in der Premier League mit einem Mini-Budget jenen Klubs, die Transferrekorde pulverisieren.
Die Serie von zehn ungeschlagenen Spielen könnte schon bald Klubgeschichte schreiben: Schafft es Palace, auch gegen Conference-League-Gegner Fredrikstad und am Wochenende gegen Nottingham Forest unbesiegt zu bleiben, wäre der Vereinsrekord von 13 Pflichtspielen ohne Niederlage aus der Saison 1990/91 eingestellt.
Englands Medien reiben sich verwundert die Augen: Crystal Palace, vor Glasners Ankunft akut abstiegsgefährdet, spielt sich unter Glasner zu einer gefürchteten Adresse hoch.
Die Frage bleibt: Wie lange hält dieser Traum, wenn der Coach nicht die Rückendeckung erhält, die er braucht?