Welche Note ich der Regierung für den Start geben würde, fragte mich diese Woche ein Ampel-Mitarbeiter. Meine Antwort – "Genügend" – irritierte ihn merklich. Man habe ja in fünf Monaten schon so viel auf den Weg gebracht…
Nun ja. Die Pflicht (Doppelbudget, keine öffentlich ausgetragenen Streits) hat die erste Dreier-Koalition des Landes erfüllt. Von der Kür ist nichts zu sehen, im Gegenteil. Das Land kracht an allen Ecken und Enden. Die Inflation klettert auf den höchsten Wert seit eineinhalb Jahren.
Heißt konkret: Die ohnedies horrenden Preise des Vorjahres legten im Juli nochmals um 3,5 Prozent zu. Dass vor allem Energie massiv teurer wurde, ist mehr als ein Alarmsignal für unsere ohnedies schon angeschlagene Industrie.
Bereits jetzt ist die Arbeitslosigkeit – 360.000 sind ohne Job oder in Schulung – viel zu hoch. Und die Aussichten sind alles andere als rosig. Die Wirtschaft springt nicht an. Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Folge: Tag für Tag gehen Unternehmen pleite, viele von ihnen müssen für immer zusperren.
Und die Regierung? Lädt zu Show-Presseterminen und lässt sich dafür feiern, dass sie sich die ohnedies schon fürstlichen Gehälter in Krisenzeiten nicht noch weiter erhöht. Es steht außer Zweifel, dass Spitzenpolitiker ordentlich bezahlt werden sollen. Wie ein Land regiert wird, ob es vorankommt oder stagniert, hängt maßgeblich von seiner politischen Führung ab.
Aber – und das ist ein großes Aber – die Bürgerinnen und Bürger müssen auch erwarten dürfen, dass an den entscheidenden Stellen die Besten unseres Landes sitzen. Menschen mit Haltung, mit Sachverstand, mit Tatkraft. Keine Polit-Influencer oder Selbstdarsteller ohne jede Leistungsbilanz in Nobelkarossen.
Im Wort "Tatkraft" steckt Kraft. Und tatsächlich: Wir brauchen eine Politik, die die Ärmel aufkrempelt und die wirklichen Probleme löst. Die dorthin greift, wo es notwendig ist. Die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – und sich nicht im Betrieb erschöpft. Gerade jetzt wäre die Zeit für große Würfe. Dafür müssen die Regierenden aber über sich hinauswachsen.
Sie sollten den XXL-Sommer mit 75 Tagen Parlamentsferien dazu nützen, um ihr Programm des kleinsten gemeinsamen Nenners ordentlich nachzubessern. Wer, wenn nicht ÖVP und SPÖ (die Neos sind mit ihren neuen Jobs und Dienstautos sowieso zufrieden) hätten die Kraft und die Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen?
Nur mit mutigen und ECHTEN Reformen kann unser Land wieder auf die Überholspur kommen; die Stimmung wieder besser werden und die Wirtschaft anspringen. Nette Instagram-Videos werden dafür nicht reichen.
Und ja: Wenn die Politik das schafft – dann soll sie auch gut verdienen. Aber nur dann.