Die Nutzer der Sprachlern-App Duolingo sind wütend – und teilen ihren Frust auf Social Media: Auf X verkünden einige, dass sie die App löschen wollen und fordern andere auf, es ihnen gleichzutun.
Auslöser des Protests ist eine kürzlich veröffentlichte Mitteilung des Duolingo-CEOs: Luis von Ahn hat Ende April bekannt gegeben, dass das Unternehmen künftig nach dem Prinzip "AI first" arbeiten wolle.
Die Firma will demnach gewisse menschliche Arbeitskräfte durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzen. Konkret: Abteilungen sollen nur aufgestockt werden, wenn sie nicht mehr von ihrer Arbeit automatisieren können. Und externe Aufträge sollen Schritt für Schritt nicht mehr für Arbeiten vergeben werden, die eine KI übernehmen kann. Teilweise müssten Abläufe komplett neu gedacht oder Systeme von Grund auf überarbeitet werden, so der CEO.
Im Netz sorgte die Ankündigung dennoch für gemischte Reaktionen: Während einige den Kurswechsel befürworten und in KI großes Potenzial für die Bildung sehen, äußerten andere Sorgen über Stellenabbau und veränderte Unternehmenswerte. User kündigten auf X sogar an, ihre Abos zu beenden oder eben die App zu löschen – mit der Begründung, Duolingo stelle Maschinen über Menschen.
Auf Reddit behauptet ein Nutzer, man merke beispielsweise beim Schwedischlernen, dass die Sätze von einer KI stammen: "Der Kurs ist grauenhaft – voller wortwörtlichen Übersetzungen und furchtbarer Sätze. Man merkt sofort: Niemand, der wirklich Schwedisch kann, hat ihn geprüft. Er wurde einfach direkt vom Deutschen mit einer Maschine übersetzt. Das funktioniert nicht."
Ein X-User ist anderer Meinung: "Ich hoffe, alle, die nun Duolingo boykottieren, löschen auch alle anderen KI-Apps auf ihrem Smartphone."
Duolingo ist eine Gründung des Schweizer Informatikers Severin Hacker und seines guatemaltekisch-amerikanischen Doktorvaters Luis von Ahn. Hacker, geboren in Zug, hatte ein Informatikstudium an der ETH Zürich absolviert und promovierte danach an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh, USA. Gemeinsam mit von Ahn entwickelte er 2011 die Idee zu Duolingo.
Die Plattform sollte es ursprünglich Nutzern ermöglichen, durch das Übersetzen von Webinhalten Sprachen zu lernen. Aus dieser Idee entstand eine kostenlose, spielerisch gestaltete App, die Sprachlernende weltweit motiviert. Hacker wurde Chief Technology Officer (CTO). Er setzte auf maschinelles Lernen. Ein zentrales Element für die User ist die Gamification: Lernen wird gefördert durch spielerische Elemente wie Punkte, Levels und tägliche Herausforderungen.
Duolingo startete offiziell im Juni 2012 und erlebte einen enormen Boom. Die App bietet heute Kurse in über 40 Sprachen an und wird von mehr als 130 Millionen Menschen monatlich genutzt. 2021 ging das Unternehmen an die NASDAQ-Börse. Heute ist Duolingo 19 Milliarden Dollar wert, was Hacker, dem 9 Prozent der Firma gehören, zum Milliardär und damit reichsten Jungunternehmer der Schweiz macht.
In einem LinkedIn-Post erklärte von Ahn, dass KI nötig sei, um Inhalte schneller zu erstellen und neue Funktionen wie Videoanrufe zu entwickeln. Manuelle Prozesse seien nicht mehr tragbar – wer langfristig konkurrenzfähig bleiben wolle, müsse jetzt auf KI setzen, schrieb er in einer E-Mail an die Mitarbeiter.
Der CEO versicherte, dass es nicht darum gehe, die Angestellten durch KI zu ersetzen. Die Menschen sollten durch die Technologie eher befähigt werden, sich auf "kreative Arbeit und echte Probleme zu fokussieren". Bereits im Januar 2024 hatte Duolingo etwa zehn Prozent seiner freiberuflichen Übersetzer entlassen – ihre Arbeit wurde teilweise von KI übernommen.
Gleichzeitig gab das Unternehmen bekannt, dass dank KI die Anzahl verfügbarer Sprachkurse verdoppelt werden konnte. 148 neue Sprachen sollen demnach eingeführt werden. Bisher habe die Entwicklung eines neuen Kurses Jahre gedauert, nun sei es Duolingo gelungen, die Kurse mithilfe von generativer KI, gemeinsamen Inhaltssystemen und internen Tools deutlich schneller zu realisieren, heißt es vonseiten des Unternehmens.
Duolingo-Sprecher Sam Dalsimer sagte gegenüber dem Technikportal "The Verge": "Unsere Vision war es schon immer, mit Technologie so gut zu lehren wie ein menschlicher Tutor – und dank KI ist dieses Ziel erstmals in greifbarer Nähe."
Es ist bereits die zweite Mitteilung dieser Art innerhalb weniger Wochen: Anfang April gab Shopify-Chef Tobias Lütke bekannt, dass Teams nur dann zusätzliche personelle Ressourcen erhielten, wenn sie belegen könnten, dass die Aufgaben nicht durch KI erledigt werden können. Der generelle Einsatz von KI sei eine grundlegende Erwartung an alle Mitarbeiter, sagte er weiter. Wie viele Konten tatsächlich gelöscht wurden, ist nicht klar.