Experten nach Eskalation

"Ein Regimewechsel von außen ist illusorisch"

Nach israelischen Angriffen auf hochrangige Mullah-Militärs und Wissenschaftler stellt sich die Frage, ob ein Führungswechsel in Teheran möglich wird.
Newsdesk Heute
14.06.2025, 19:58
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Nach einem gezielten Schlag gegen Irans Machtapparat steht die Region vor einer unsicheren Phase – mit unklaren Folgen für die innenpolitische Lage in Teheran. Die Politikwissenschaftlerin Bente Scheller und der Nahostexperte Andreas Böhm ordnen ein.

Wie hart hat der Angriff das iranische Regime getroffen?

Israel hat zentrale Figuren ausgeschaltet: "Das sind empfindliche Verluste an entscheidenden Stellen", sagt Politikwissenschaftlerin Bente Scheller. Israel habe in den vergangenen Monaten bereits iranische Kämpfer und verbündete Milizen wie die Hisbollah stark dezimiert, der Angriff jetzt sei ein weiterer Schlag. Die Operation zeige, wie präzise Israels Geheimdienste über Aufenthaltsorte hochrangiger Funktionäre informiert seien – "eine schwere Demütigung für das Regime".

Wie handlungsfähig ist der Iran nach dem Angriff noch?

"Das Ausmaß und die Präzision dürften den Iran überrascht haben", sagt Scheller. Die Führung habe offensichtlich nicht mit einem derart gezielten Angriff gerechnet – sonst hätten sich die Getöteten wohl an sicherere Orte zurückgezogen. "Doch das Regime bleibt gefährlich." In der Vergangenheit habe es israelische Einrichtungen und Touristen im Ausland attackiert – etwa in Buenos Aires 1992 oder Bulgarien 2012. Solche Vergeltungsschläge seien auch jetzt nicht ausgeschlossen.

Könnte wiederum die Opposition gestärkt werden?

"Eine Schwächung des Regimes wird von vielen begrüßt", sagt Scheller. Auch in Syrien und im Libanon habe die Opposition aufgeatmet, als zentrale Hisbollah-Figuren getötet wurden. Doch die Expertin warnt vor falscher Hoffnung: "Im Libanon hat sich gezeigt, dass die Angriffe damit nicht aufgehört haben und neben den sehr präzisen Angriffen auch viele stattgefunden haben, die Zivilistinnen und Zivilisten getroffen haben."

Ist ein Regimewechsel dennoch realistisch?

"Der Angriff zeigt die Schwächen und Korruption des Systems, aber die Hoffnung auf einen Regimewechsel von außen ist illusorisch", sagt Nahostexperte Böhm. Das Regime könne sich weiter abschotten und die Repression verstärken. Ein Sturz des Regimes ist riskant. "Dieser ist möglich, aber mit großer Unsicherheit und potenziell blutigen Machtkämpfen verbunden", so Böhm.

Wie reagiert die Bevölkerung im Iran?

Die Proteste, die mit der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung begonnen haben, seien aus dem medialen Fokus geraten, aufgehört hätten sie jedoch nie – trotz der massiven Unterdrückung und obwohl das Regime weiterhin Todesurteile an Beteiligten vollstrecke, so Scheller. "Inwieweit es zu diesem Zeitpunkt mehr Proteste geben wird, werden wir sehen – das hängt sicherlich auch damit zusammen, wie glaubhaft israelische Angriffe gezielt Regimepositionen treffen." Heißt: Sollten vermehrt Wohngegenden oder zivile Infrastruktur getroffen werden, könnte dies dazu führen, dass sich Menschen eher hinter das Regime stellen.

Wie werden Irans Nachbarn reagieren?

Die arabischen Nachbarstaaten zeigten grundsätzlich wenig Solidarität mit Teheran: "Sie waren auch an der Abwehr iranischer Raketen auf Israel beteiligt", sagt Scheller. Trotz diplomatischer Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sei niemand bereit, das Verhältnis zu den USA zu gefährden. Das spreche eher gegen eine weitere Eskalation durch diese Staaten.

Hat diese Eskalation das Potenzial, die Lage in der Region dauerhaft zu verändern?

"Maßgebliche Umwälzungen haben wir über die ganzen letzten Monate gesehen. Sorge bereitet jedoch, dass das strategische Ziel nicht ganz klar ist", sagt Scheller. Zwar wolle Israel das iranische Atomprogramm schwächen, doch dafür brauche es militärische Rückendeckung der USA. "Präsident Trump will aber Prestige als 'Dealmaker' erlangen und deshalb kaum neue Truppen in den Nahen Osten senden."

Böhm ergänzt: "Die Lage ist extrem volatil." Israel setze auf militärische Überlegenheit, der Iran sei geschwächt und in der Defensive. "Die Gefahr einer weiteren Eskalation besteht, insbesondere wenn die USA eingreifen oder der Iran tatsächlich auf Atomwaffen setzt."

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