Nach viel Verwirrung und Hin und Her in den letzten Tagen steht jetzt fest: US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin treffen sich am kommenden Freitag in Alaska – ohne den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Was von diesem Treffen zu erwarten ist, erläutert Alexander Dubowy im Interview.
Er will, wie eigentlich immer, als erfolgreicher Dealmaker auftreten. Die Details sind ihm egal, er will eine vorübergehende Waffenruhe verkünden können. Kurzfristig, um die MAGA-Basis zufriedenzustellen und von eigenen Problemen wie der Epstein-Liste abzulenken. Langfristig, um Russland aus dem Griff Chinas zu lösen.
Alaska ist die gemeinsame Grenze zwischen den USA und Russland. Putin kann dort außerdem relativ bedenkenlos hinfliegen, weil er keine feindlichen Staaten überfliegen muss. Der Ort hat auch symbolischen Charakter: Die USA setzen sich ins Zentrum der Verhandlungen, Europa wird komplett ausgeklammert.
Sicher wissen wir das nicht, vermuten lässt sich aber Folgendes: Trump will die aktuellen Kampflinien einfrieren und einen Waffenstillstand erreichen. Gerüchten zufolge will Putin hingegen zumindest den Donbass. Sein Angebot scheint zu lauten: Luhansk und Donezk werden komplett russisches Territorium. In Saporischschja und Cherson stellt er dafür die Angriffe ein.
Das klingt nach einem Entgegenkommen, ist aber ein vergiftetes Angebot: Während Luhansk zu 99 Prozent in der Hand der Russen liegt, beißt Putin sich an den Festungen der Ukrainer in Donezk die Zähne aus. Und in Saporischschja und Cherson kommt er nur schrittweise voran und hat kaum die Chance, die Regionalhauptstädte zu erobern. Mit einem solchen Deal gewänne Russland große Gebiete und könnte gleichzeitig Kräfte sparen. Für die Ukraine und Europa wäre das eine Katastrophe.
Weil nichts Putin davon abhalten würde, die Kräfte zu bündeln und in den nächsten zwei Jahren wieder anzugreifen – mit den Erfahrungen aus dreieinhalb Jahren Krieg. Das System Putin braucht einen Konflikt, einen Feind von außen, um die eigene Gesellschaft zu kontrollieren.
Dieser Krieg ist für Putin ein komplexer politischer Prozess, an dessen Ende die politische Unterwerfung der Ukraine und eine Neuordnung der europäischen Sicherheitsarchitektur stehen muss. Besonders gefährlich wäre, wenn der Deal eine Aufhebung von Sanktionen beinhaltete – das würde Milliarden in Putins Kriegskasse spülen.
Definitiv. Trump kann die direkten Waffenlieferungen an die Ukraine ebenso stoppen wie den Verkauf an NATO-Partner, die die Waffen an die Ukraine weitergeben. Und auch die für die Ukraine elementar wichtigen Geheimdienstinformationen kann Trump jederzeit verwehren. Europa kann hier nur bedingt in die Bresche springen.
Weil Putins Hunger damit nicht gestillt wird. Für die Ukraine wird die Situation durch diese Gespräche noch schwieriger. Entweder, sie treten rund ein Fünftel ihres Landes an einen Aggressor ab – ohne irgendwelche Garantien, dass dieser nicht bald den Rest des Landes angreift. Oder sie müssen ein Einfrieren der Konfliktlinien hinnehmen, das mit weiterführenden territorialen Streitigkeiten einhergeht. Diese Streitigkeiten wiederum verhindern einen NATO-Beitritt, der der Ukraine eine gewisse Sicherheit gäbe.
De facto gar keine, und das ist eine Tragödie. Die größte Gefahr, die von den Gesprächen in Alaska ausgeht, ist jene eines Diktatfriedens: Putin kommt Trump in der Ukraine entgegen, dafür ziehen die USA sich militärisch aus dem Baltikum zurück. Damit würde die ganze Sicherheitsarchitektur in Europa sich zugunsten Russlands verschieben.
Europa hätte in den vergangenen sechs Monaten viele Gelegenheiten gehabt, sich zu positionieren, klare rote Linien in der Ukraine zu definieren und echte Kontrolle zu fordern im Falle einer Waffenruhe. Trump musste sich im Amt erst finden und Putin schwächelte. Und doch sehen sie dabei zu, wie auf dem eigenen Kontinent zwei Großmächte die Einflusssphären aufteilen.
Derzeit gehe ich nicht davon aus. Denn Hand aufs Herz: Putin will diesen Deal nicht, sonst hätte er vergleichbare Angebote in den letzten sechs Monaten annehmen können. Er wird weiterhin auf eine Verzögerungs- und Zermürbungstaktik setzen.