"Bleibt uns ein Rätsel"

Oberst Reisner spricht bittere Ukraine-Wahrheit aus

Österreichs bekanntester Kriegsanalyst Markus Reisner gibt seine Einschätzung zu Trumps Ultimatum an Putin und der aktuellen Lage in der Ukraine.
Roman Palman
15.07.2025, 21:40
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Durch den neuen Kurs von Donald Trump scheint etwas in Bewegung geraten. Er hat Kriegstreiber Wladimir Putin ein Ultimatum für einen Waffenstillstand gestellt. "Wenn wir am Ende der 50 Tage keinen Deal haben, wäre sehr schade. Die Zölle und andere Sanktionen werden scharf geschalten", bekräftigte der US-Präsident am Dienstag. Konkret will er 100 Prozent Zölle auf Importe von bekannten russischen Handelspartnern – vor allem China und Indien – verhängen.

Warum erst in fast zwei Monaten? "Ich glaube nicht, dass 50 Tage sehr lang sind", so Trump auf Nachfrage eines Reporters. Die Millionen ukrainischen Zivilisten und die hunderttausenden Soldaten in ihren Schützengräben würden da vermutlich widersprechen. 50 Tage... In dieser Zeit könnte Russland, gemessen an der derzeitigen Angriffsrate, weitere 25.000 Drohnen und Marschflugkörper auf ukrainische Städte abfeuern.

Das Sterben geht in diesem russischen Angriffskrieg derweil weiter, auch wenn der MAGA-Anführer öffentlich gegenteilige Intentionen bekundet: "Ich stehe auf niemandes Seite. Weißt du, auf wessen Seite ich stehe? Auf der Seite der Menschlichkeit. Ich will das Töten von Tausenden von Menschen pro Woche im Krieg zwischen der Ukraine und Russland beenden. Das ist die Seite, auf der ich stehe."

Unabhängige Recherchen des Portals "Mediazona" zählen seit Beginn der Invasion bis inklusive 4. Juli 2025 mindestens 116.718 Tote alleine auf russischer Seite – sie alle sind namentlich bekannt. Es ist das untere Limit des horrenden Blutzolls von Putins Großmachtbestrebungen, die Dunkelziffer ist enorm.

Auch Oberst Markus Reisner ist bei seiner Einschätzung dieser vermeintlichen Trump-Wende vorsichtig: "Man weiß aber nicht, ist es jetzt wirklich ernsthaft gemeint. Im Sinne von: jetzt wird der Unterschied gemacht, jetzt geht Trump jetzt all-in? Oder ist das wieder der 'Deal-Maker' Trump, der versucht, Putin zu drohen, in der Hoffnung, dass der nachgibt?"

Oberst Markus Reisner leitet seit 1. März 2024 das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Dass die russische Armee in der Lage sei, im Abstand weniger Tage Luftangriffe mit bis zu 700 Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen durchzuführen, zeige den enormen Druck, dem die die Ukraine derzeit standhalten müsse. Russland habe die Quantität als auch die Qualität seiner Luftangriffe deutlich steigern können, so der österreichische Kriegsbeobachter gegenüber "n-tv".

Auch die Ukraine könne inzwischen mit Angriffswellen von bis zu 200 Drohnen zurückschlagen. Dieses laut Reisner signifikante Faktum werde von der Berichterstattung gerne übersehen, "doch diese Angriffe sind immer noch zu wenig". Noch hätten diese keine messbaren Ergebnisse gebracht, die zeigen würden, dass Russland schmerzhaft getroffen würde. Reisner schonungslos: "An der Front hat sich gar nichts bewegt und was an der russischen Heimatfront passiert, bleibt uns immer noch ein Rätsel. Niemand weiß, ob die Russen jetzt tatsächlich angeschlagen sind, oder nicht."

Um Russland in die Knie zu zwingen, müsste ihre Angriffsrate die der Russen sogar übertreffen. Die große Frage sei, ob das die westlichen Unterstützer möglich machen könnten. Wenn sich die Asymmetrie zugunsten der Ukraine verändern solle, müssten die Hilfslieferungen "signifikant zunehmen", mahnt der Militärhistoriker.

Mögliche Verhandlungen zu einem Waffenstillstand sieht er unter einem düsteren Stern: "Putins Kernforderungen sind unverändert". Der Kreml-Kriegstreiber ist bislang nicht von seinen Maximalzielen abgewichen, im Gegenteil: Er will immer mehr.

"Sehr harte Aussage"

Russlands Vize-Außenminister Sergei Rjabkow erklärte in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur TASS kürzlich: Solange die NATO im Baltikum ist, wird es keinen Frieden geben. Das sei eine der von Putin vielbeschworenen Wurzeln des Ukraine-Kriegs. Für Reisner ist es eine "sehr harte Aussage", die sich aus der russischen Mär der NATO-Osterweiterung nährt und keinen Willen für Verhandlungen bekundet.

Auch Wladimir Putin hatte erst vor einem knappen Monat vor den Augen der ganzen Welt erklärt: "Die Ukrainer und Russen sind ein Volk. Und in diesem Sinne gehört die ganze Ukraine uns. [...] Wir bestehen auf einer Anerkennung der Realitäten, die sich vor Ort ergeben haben. Wohin ein russischer Soldat seinen Fuß setzt, das gehört uns." Reisners Einschätzung: "Damit ist das Ziel, die gesamte Ukraine in Besitz zu nehmen."

Während sich der russische Machthaber auf der Siegerstraße wähnt, taumeln die USA: "Wir sehen auf der anderen Seite dafür, dass Donald Trump zunehmend nicht weiß, wie er mit Putin umgehen soll. Einmal versucht er, ihn zu locken. Das funktioniert aber nicht. Dann droht er ihm die Peitsche an, die er aber doch nicht wirklich einsetzt, weil er sich eine Hintertür lässt", schließt der Bundesheer-Offizier mit einem wenig erbaulichen Resümee.

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 15.07.2025, 21:56, 15.07.2025, 21:40
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